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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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Mentoren, die sich darum kümmern, die Jungen aus einer schlechten Situation herauszuholen und sie zu fördern. Standardsatz: »Ich mache das doch nur aus Liebe für dich!«
    Dafür spricht, dass die Jungen sich tatsächlich nicht als Stricher an einschlägigen Treffpunkten, den sogenannte Klappen, verdingen müssen. Die Männer, die sich deswegen auch nicht Freier nennen, wollen sich ganz klar von denen distanzieren, die sich in der Stricherszene Jungen besorgen. »Das, was die machen, ist schmutziger Sex gegen Geld«, so ein Mann im Internetchat. »Das was wir machen, ist idealisierte Liebe.«
    Andere wiederum geben sich als Sozialfreier aus,
doch auch das sei am Ende »immer nur ein Tauschgeschäft«, stellt Sabine Reinke von Looks e.V. klar. »Ich möchte solchen Freiern noch nicht einmal das bewusste Motiv unterstellen; manchmal sind ihre Forderungen auch nur unbewusst: ›Wenn ich dir helfe, habe ich auch eine Gegenleistung verdient. Und folgendermaßen stelle ich mir das vor: ...‹ Das ist der Moment, an dem es kritisch wird. Die Vorstellungen desjenigen, dem geholfen werden soll und der es vielleicht gar nicht selbst will, sind in der Regel ganz andere als die des Freiers.«
    Vergessen werden darf auch nicht, dass die Jungen mit ihren elf, zwölf oder dreizehn Jahren minderjährig sind und ihre Notsituation – Obdachlosigkeit, Geldmangel, Hilflosigkeit – schamlos ausgenutzt wird. »Da gibt es seltsame Verstrickungen, wenn zum Beispiel der Mann mit dem Jungen plötzlich in dessen Familie auftaucht und er dann Jugendamtsangelegenheiten regeln kann«, sagt Wolfgang Werner von der Beratungsstelle SUB/Way berlin e.V
.
, wo er für das Projekt »Berliner Jungs« verantwortlich zeichnet. »Manchmal geht das Verhältnis zu einem Jungen so weit, dass dieser den Tag bei dem Pädophilen verbringt und nachts bei seiner Familie übernachtet. »Da geschehen so viel Verstrickungen, dass der Junge am Ende gar nicht mehr weiß, wo er sich befindet, was er eigentlich sucht und was er geben muss, um das zu bekommen, was er eigentlich haben will.«
    Früher gab es sogar Kneipen, in denen sich pädosexuelle Männer ganz offen mit ihrem Frischfleisch trafen und die Jungen sogar untereinander austauschten. Mit der zunehmend restriktiven Verfolgung durch die Justiz und der Verbreitung des dank seiner Anonymität für solche Zwecke hervorragend geeigneten Internets hat sich die Szene zwar nicht aufgelöst, jedoch weg von bekannten Treffpunkten verlagert. Jetzt kommunizieren die Männer mittels Handy oder Internet und reichen die Jungen in informellen Zirkeln weiter. »Heftig, was sich da herumtreibt«, erklärt ein Streetworker, der Zugang zur Szene hat und deshalb lieber ungenannt bleiben möchte. »Faschos, Kinderpornoproduzenten, Polizisten – da könnte ich reinschlagen!«
    Es gelingt nur selten, die Kids aus diesen Kreisen zu befreien, und zwar nicht, weil der Druck der Männer so stark ist. Sabine Reinke bedauert: »Öffentliche Jugendhilfe kann dem Jungen nichts von dem bieten, was der pädosexuelle Freier ihm bietet: die tollste Jeans, eine PlayStation, 50 Euro am Tag. Dieser Junge ist nicht mit Worten, nicht mit Taten herauszuholen. Selbst mit Gewalt kriegen wir den Jungen nicht heraus; er wird immer wieder zu dem Mann zurückkehren. Trotzdem: Der seelische und der körperliche Schaden, den ein Junge erleidet, der in solchen Pädo-Kreisen gefangen ist, ist nicht wiedergutzumachen. Deshalb wissen wir: Wenn, dann muss vorher etwas passieren, damit die Jungen erst gar nicht in die Kreise hineingeraten.«
    Einmal in der Szene gefangen, ist das weitere Schicksal der Jungen meist vorbestimmt: Mit vierzehn, fünfzehn oder sechzehn Jahren, mit der Pubertät, in der sie für die Frischfleisch-Connoisseure uninteressant werden, nehmen jüngere Kids ihren Platz ein. Die Männer – idealisierte Liebe hin, Sozialfreier her – werden sie fallen lassen, quasi in die offene Szene an den Bahnhöfen spucken
,
wo sie sich anschließend als Stricher verdingen.

Stricher & die männliche Prostitution

Frauen, die sich prostituierten, stellten sich bloß, entehrten sich, boten ihren Körper öffentlich zur Unzucht. Das hieß im Lateinischen »pro stituere«. Die französische Sprache übernahm den Begriff im 18. Jahrhundert: »Se prostituer«.
    Was das mit männlicher Prostitution zu tun hat? Im Grunde sehr viel, und irgendwie auch wieder nicht. Es gibt einige wenige, dafür grundsätzliche Gemeinsamkeiten der männlichen und weiblichen

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