Trieb
Magda Michels her?«
Verstohlen äugte Sackowitz nach rechts, aber seine Sorge war unbegründet. Der Geräuschpegel war zu hoch, als dass Magda Michels seinen Gesprächspartner hätte verstehen können. »Pass auf, Stan, das können wir gerne alles morgen in Ruhe besprechen.«
»Nein, Hardy, nicht morgen, heute. Besser gesagt: jetzt. Ein für alle Mal: Du lässt sofort Frau Michels in Frieden! Ich möchte, dass du zum Hotel
Adler
fährst. Und zwar gestern!«
»Was soll ich denn da?«
»Wie bitte? Du musst lauter sprechen.«
»Ich habe gefragt, welchen Job du für mich hast?«
»Es gab einen Mord. Vor wenigen Minuten habe ich den Hinweis bekommen, dass das Opfer Rudolph Fielmeister sei. Du weißt schon, der Suppenkönig von Fielmeisters Beste. Überprüfe, ob an der Info was dran ist und, falls das der Fall ist, ob es sich um einen Raubmord handelt. Ich meine, was hatte Fielmeister im
Adler
zu suchen? Er wohnt ja nur zwei Straßen weiter. Wir halten für deinen Artikel einen Kasten in der morgigen Ausgabe frei.«
»Für morgen? Aber das bedeutet ja, dass ich noch heute Nacht … Stan?« Doch Bodkema hatte bereits aufgelegt.
»Sie müssen gehen?«, fragte Magda.
»Ja, die Pflicht ruft.«
»Sie haben mir noch gar nicht erzählt, was Sie beruflich machen.«
Sackowitz gestikulierte abfällig. »Ich befürchte, dass Sie das nicht im Geringsten interessiert.«
»Noch schlimmer als Politik?«
Er zückte seine Geldbörse. »Ganz bestimmt.«
Magda winkte ab. »Lassen Sie das. Die Rechnung übernehme ich.«
»Aber das …«
»… ist der Ball Paradox, haben Sie das vergessen?« Sie zwinkerte und steckte ihm einen Zettel zu. »Rufen Sie mich die Tage doch mal an.«
Mit allem hatte Sackowitz nach der ihm unterlaufenen Panne gerechnet, aber nicht damit, vor allem aber nicht so schnell. Alles erschien plötzlich so einfach. Er brauchte Magda nur anrufen, morgen oder übermorgen, sich mit ihr zum Kaffee verabreden, sie wiedersehen, ungezwungen mit ihr plaudern, vertrauter miteinander werden und …
Du lässt sofort Frau Michels in Frieden!
Lächelnd faltete er das Papier zusammen, schob es zu seinem Handy in die Hosentasche und winkte ihr kurz zum Abschied zu.
Seinen Wagen hatte er in einer Seitenstraße der Bismarckstraße geparkt. In dem betagten Polo herrschte klirrende Kälte, die Frontscheibe war sogar von innen zugefroren. Sackowitz schabte das Eis vom Glas und drehte die Heizung voll auf. Aber auch nach fünf Minuten, als er bereits Richtung Mitte steuerte, entwich den Luftschlitzen nur ein lauwarmer Hauch. Leider funktionierte auch das Radio nicht mehr einwandfrei, nachdem Rabauken vor Wochen nachts die Autoantenne abgeknickt hatten. Jetzt dröhnte nur noch ein statisches Rauschen aus den Lautsprechern, das ab und an von einigen Fetzen deutscher Schlagermusik unterbrochen wurde.
Doch heut Nacht wird alles anders
,
alles
,
alles anders.
Es war wirklich höchste Zeit, die alte Rostlaube zu verschrotten, aber einen Neuwagen konnte er sich nicht leisten. Um ehrlich zu sein, noch nicht einmal einen Gebrauchtwagen.
Sackowitz überlegte, einen Abstecher nach Friedrichshain zu machen, um für den Rest des Tages – oder eher der Nacht – in bequemere Klamotten zu schlüpfen, aber das wäre nicht nur ein Umweg gewesen, er verspürte auch wenig Lust auf den Anblick seiner tristen Zweiraumwohnung.
Unter den Linden stellte er den Polo ab und bahnte sich einen Weg durch die schaulustige Menge, die schon von Weitem am Brandenburger Tor zu sehen gewesen war. Hinter einem Absperrband hielt ein Schutzpolizist die Stellung.
»Was ist denn im Hotel passiert?«, fragte Sackowitz.
»Tut mir leid, ich kann Ihnen keine Auskünfte geben.«
Vor dem Hotel
Adler
entdeckte Sackowitz die Wagen der Spurensicherung. »Jemand ist ermordet worden, richtig?«
»Ich sagte doch schon, dass …«
»Und wen hat es erwischt?«
»Sagen Sie mal, wer sind Sie eigentlich?«
Er fischte seinen Presseausweis aus der Jackentasche. »Sackowitz, Reporter beim
Berliner Kurier
.«
»Aha«, brummte der Polizist unbeeindruckt.
»Können Sie mir jetzt sagen, was geschehen ist?«
»Nein.«
»Können Sie vielleicht jemanden holen, der mir etwas sagen kann?«
»Nein.«
»Dann darf ich hier mal durch?«
»Nein.«
»Sie haben wirklich einen Sprung«, attestierte Sackowitz dem Schutzpolizisten.
»Wie bitte?«
»Ich meine, einen Sprung in der Schallplatte.« Ein Stück weiter in der Menge machte Sackowitz plötzlich eine vertraute Person
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