Trieb
ihnen breitete sich ein langer, von dezenten Neonlampen beleuchteter Korridor aus. Von einer Putzfrau war weit und breit nichts zu sehen, dafür erwartete sie in der zweiten Tür rechts eine Frau, auf deren Arm ein Kind herumalberte.
»Frau Fielmeister?«
»Nein, ich bin eine Freundin. Aber bitte, kommen Sie doch herein. Frau Fielmeister wird gleich Zeit für Sie haben.«
Das Wohnzimmer besaß enorme Ausmaße. Es war mindestens zweimal so groß wie Kalkbrenners gesamte Altbauwohnung, zudem war es mit senffarbener Ledercouch, furnierten Holztischen und einer offenen Küche äußerst geschmackvoll eingerichtet. Jedes Möbelstück wirkte exklusiv für die Stelle geschaffen, an der es stand. Noch mehr Reichtum aber strahlten die Skulpturen auf dem Regal und die Bilder an den Wänden aus. Kalkbrenner war zwar kein Kunstkenner – seine Tochter Jessy hingegen hätte sicherlich auf Anhieb Bescheid gewusst –, aber er hatte keine Zweifel daran, dass die Objekte enorm wertvoll waren.
Carla Fielmeister betrat das Zimmer. Kalkbrenner schätzte sie auf dreiunddreißig, vierunddreißig. Ihr Haar war lang und blond, die Haut von sanfter, unaufdringlicher Bräune. Die Goldkette, die sie um den Hals trug, passte zum beigefarbenen Kaschmirpullover und der blauen Jeans. »Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen. Ich habe gerade meine jüngste Tochter ins Bett gebracht. Sie sind von der Polizei?«
»Bolisei«, echote das Kind auf dem Arm der Freundin. Daraufhin setzte die Frau das Mädchen auf dem Langflorteppich ab, der einen Großteil des Bodens bedeckte. »Bolisei, Bolisei«, brabbelte die Kleine munter, während sie mit ihrer Barbie spielte.
»Geht es wieder um den Einbruch in die Firma? Ich habe Ihren Kollegen doch vorhin schon mitgeteilt, dass ich dazu nichts sagen kann. Sie müssen sich gedulden, bis mein Mann und sein Bruder morgen Mittag aus Amsterdam zurückkommen.«
»Bolisei, Bolisei«, kicherte das Mädchen. »Tatütata.« Carla Fielmeister strich der Kleinen durchs Haar. »Laura, bitte, sei kurz still. Mama möchte sich unterhalten, ja?«
Laura wackelte unwillig mit dem Kopf und nestelte an der Hose ihrer Mutter herum, bis die sie auf den Arm nahm.
»Ihr Mann ist mit seinem Bruder in Amsterdam?«, fragte Kalkbrenner nach.
»Ja, geschäftlich. Seit etwa drei Stunden. Aber das sagte ich …«
»Und die beiden sind zusammen geflogen?«
»Ja, eigentlich schon.« Laura umschlang den Hals ihrer Mutter, zupfte an der Goldkette und drückte ihr Gesicht ins blonde Haar. »Marten, also der Bruder meines Mannes, Herr Peglar, rief vorher noch bei uns an und wollte wissen, ob mein Mann schon auf dem Weg nach Tegel sei. Das war kurz vor neunzehn Uhr, er war wohl ein bisschen spät dran. Aber mein Mann hätte mich bestimmt angerufen, wenn sein Bruder es nicht mehr zum Flughafen geschafft hätte.«
»Wann haben Sie Ihren Mann zum letzten Mal gesprochen?«
»Kurz vor dem Abflug. Das muss gegen halb acht gewesen sein.«
»Hat Ihr Mann während des Telefonats irgendetwas Ungewöhnliches gesagt? Etwas, das Ihnen merkwürdig vorkam?«
»Nein, warum sollte er?« Verunsicherung flackerte in Carla Fielmeisters Augen auf. »Er sagte nur, ich solle die Kinder ganz lieb grüßen.«
»Hat er Sie vom Flughafen aus angerufen?«
»Ich denke schon, aber explizit gesagt hat er es nicht.«
»Sie wissen es also nicht«, stellte Berger fest.
Sie sah ihn verwirrt an.
»Haben Sie eine Ahnung, in welchem Hotel Ihr Mann in Amsterdam übernachtet?«
»Normalerweise im
Barbizon Palace.
Aber wenn Sie es genau wissen möchten, sollten Sie mit seiner Sekretärin sprechen, mit Frau Vissermann.«
»Sie können uns also nicht sagen, in welchem Hotel sich Ihr Mann aufhält?«
»Haben Sie eine Vorstellung davon, wie viele Geschäftsreisen mein Mann im Jahr unternimmt? In wie vielen Hotels er dabei übernachtet? Wenn ich mir das alles merken würde … Aber sagen Sie mal: Was hat das überhaupt mit dem Einbruch zu tun?«
Obwohl die Frage zu erwarten gewesen war, machte der bisherige Gesprächsverlauf Kalkbrenner die Antwort nicht einfacher. »Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, Frau Fielmeister, aber – wir sind nicht wegen des Einbruchs hier.«
Plötzlich spiegelte sich Sorge auf dem Gesicht der jungen Frau wider. Auch ihre Tochter spürte den Stimmungswechsel. Ängstlich schaute sie ihre Mutter an, die flüsterte: »Was ist passiert?«
»Können wir Sie einen Augenblick alleine sprechen?«
Carla Fielmeister übergab
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