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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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»Irgendwann hat er sich durchgerungen und die Entscheidung getroffen. Er hatte keine andere Wahl.«
    »Bei den Mitarbeitern traf die Maßnahme leider auf wenig Verständnis. Es gab sogar Morddrohungen.«
    Sie riss die Augen auf. »Was?«
    »Davon hat er Ihnen also auch nichts erzählt?«
    »Nein, das ist …« Hastig führte sie die Zigarette an ihre Lippen, aber zwischen ihren Fingern glomm nur noch der kurze Filter. »Eine Morddrohung? Wer macht denn so etwas? Von wem denn? Wer hätte ihn umbringen wollen?« Wütend schnippte sie die Kippe über die Balkonbrüstung, bevor sie die Tür viel zu heftig schloss. Einer der Sockel, auf denen Skulpturen präsentiert wurden, wankte, doch das Kunstwerk blieb zum Glück standhaft.
    »Was meinen Sie, warum er Ihnen davon nichts erzählt hat?«
    Carla Fielmeister setzte sich auf die Couch. Man konnte das Leder von ihren Bewegungen quietschen hören. »Ich nehme an, er wollte uns nicht beunruhigen, mich und die Kinder.«
    »Mit wem könnte Ihr Mann stattdessen über die Morddrohungen gesprochen haben? Vielleicht mit Ihrem Schwager?«
    »Ja, das ist wahrscheinlich.«
    Erneut klingelte Kalkbrenners Mobiltelefon. Wieder seine Sekretärin. Wieder drückte er sie weg. »Wie war das Verhältnis zwischen Ihrem Mann und seinem Bruder?«
    »Nun, Marten ist der Onkel unserer Kinder. Für die Jüngste, Elfi, ist er sogar der Patenonkel. Was wollen Sie hören? Selbstverständlich war ihre Beziehung von der Arbeit geprägt. Aber wenn wir etwas gemeinsam unternahmen, versuchten die beiden immer, den Beruf vor den Kindern nicht zu erwähnen.«
    »Gab es Probleme zwischen Ihrem Mann und seinem Bruder?«
    Sie rollte mit den Augen, als hätte Kalkbrenner die dümmste Frage aller Zeiten gestellt. »Ja, selbstverständlich gab es Probleme. Und bevor Sie danach fragen: Es gab sogar Streit. Und zwar nicht nur zwischen meinem Mann und Marten, auch ich habe mich mit Rudolph gestritten. So etwas kommt doch in den besten Familien vor. Oder bei Ihnen etwa nicht?«
    Welche Familie?
»Können Sie sich daran erinnern, ob es in jüngster Zeit solche Auseinandersetzungen zwischen den beiden gegeben hat?«
    »Ja, vor drei oder vier Wochen sind sie aneinandergeraten.«
    »War das in irgendeiner Art anders als die Male zuvor?«
    »Nein. Normalerweise waren die beiden nach einem solchen Streit wütend aufeinander und gingen sich dann einige Tage aus dem Weg.« Mit einer fahrigen Geste strich sie ihr Kostüm glatt. »Allerdings kann es ein, dass es diesmal etwas länger dauerte, bis sie sich wieder vertrugen.«
    »Aber die beiden haben sich versöhnt?«
    »Ja, irgendwann gab es sogar eine Aussprache, daran erinnere ich mich. Am Abend wirkte mein Mann viel gelöster. Er sagte: ›Alles ist erledigt, Marten wird sich darum kümmern.‹ Aber bitte, fragen Sie mich jetzt nicht, wovon er sprach.«
    Kalkbrenner tat ihr den Gefallen nicht: »Wovon?«
    Erbost blickte ihn die Witwe an: »Von einem Auftrag. Eines Großkunden. Darum ging es immer. Wie schon gesagt: Die Zeiten sind im Moment nicht einfach.«
    »Also nicht um Drogen?«
    Sie lachte auf. »Das ist doch eine uralte Geschichte, die Sache ist mindestens fünf Jahre her.«
    »Aber seitdem gab es wiederholt Anzeigen gegen Ihren Schwager. Es kam lediglich zu keinem Verfahren. Außerdem haben wir festgestellt, dass er Schulden in nicht unbeträchtlicher Höhe hat. Es gibt sogar Hinweise darauf, dass er ein Spieler ist.«
    »Das kann nicht sein! Davon hätte mir mein Mann doch bestimmt erzählt.«
    »Sind Sie sich da sicher?«
    »Sicher sein kann man sich nie. Vielleicht hätte ich mich auch mehr dafür interessieren sollen, was meinen Mann in der Firma beschäftigte. Nein, wahrscheinlich hätte ich es tun sollen. Aber er wollte ja nie mit mir darüber sprechen.« Carla Fielmeister steckte sich eine neue Zigarette an. »Und jetzt ist es zu spät.«
    Kalkbrenner suchte nach einer passenden Erwiderung, aber es fiel ihm nichts ein, sodass er es bei einer kurzen Verabschiedung beließ.
    Im Fahrstuhl vergrub Muth frustriert die Hände in den Hosentaschen. »Die hatten alles, was man sich wünschen kann: Geld, Luxus, Kinder, Familie – aber sie haben aneinander vorbeigelebt.«
    Anscheinend gab es verschiedene Formen, nicht miteinander zu reden. Kalkbrenner war sich nicht sicher, welche die schlimmste war.
Aneinander vorbei? Oder gar nicht?
Sein Handy läutete schon wieder. »Was gibt’s denn, Rita?«
    »Paul, bist du das?«, brummte eine tiefe, raue Stimme, die einem

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