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Trieb

Trieb

Titel: Trieb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Krist
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über den Tod meiner Eltern?«
    Über die Motive seiner Tat hatte sich Alpa seinerzeit ausgeschwiegen. In der schockierten Öffentlichkeit waren daraufhin die Spekulationen wie Unkraut gesprossen: Mal war ein Familienstreit die Ursache gewesen, dann ein Ehrenmord. Schließlich waren sogar Vermutungen über eine Verwicklung Alpas in Kämpfe rivalisierender Straßenbanden laut geworden. Doch allen Bemühungen zum Trotz war den Angehörigen nichts über die wahren Hintergründe der Tat zu entlocken gewesen. Als die Medien sie zu stark bedrängt hatten, waren sie schließlich sogar untergetaucht. Es hieß, sie seien in die Türkei zurückgekehrt.
    Und jetzt fand sich Sackowitz bei Alpas Schwester auf dem Sofa sitzend wieder – in Berlin. Dafür konnte es nur einen logischen Grund geben. Sein Körper spannte sich an, diesmal aber nicht vor Besorgnis. Die ihn durchflutende Euphorie ließ ihn im Geiste bereits eine Schlagzeile formulieren:
Alpas Schwester packt aus!
Aber an Alpa würde sich kaum noch ein Leser erinnern. Besser wäre:
Endlich: Schwester von Elternmörder redet!
Ja, das klang richtig gut.
    Er schaltete das Diktiergerät ein, das er immer bei sich hatte. »Erzählen Sie.«

31
    Geschickt manövrierte Muth den Passat aus der Parklücke vor dem Präsidium. »Was ist eigentlich mit dir und Sebastian?«
    »Was soll denn mit uns sein?«, antwortete Kalkbrenner mit einer Gegenfrage.
    Die Kriminalkommissarin fädelte sich ohne Probleme in den stockenden Verkehr ein. Über ihnen jagten dichte graue Wolken dahin. Vereinzelte Schneeflocken rieselten auf die Windschutzscheibe herab, schmolzen aber schneller, als der Scheibenwischer sie zur Seite räumen konnte. »Ihr benehmt euch wie zwei zickige Weiber.«
    Die direkte Art seiner jungen Kollegin war bestechend.
    »Hat das vielleicht etwas mit eurem letzten gemeinsamen Fall im Oktober zu tun? Diesem Neuköllner Lehrermord?«
    Kalkbrennner spielte betont konzentriert mit seinem Handy. An der Ampel beim
Alexa
,
das man einer Trutzburg gleich aus dem Boden gestampft hatte, mussten sie halten.
    »Und? Hat es?«, bohrte Muth weiter nach.
    Die Shopping-Mall am Alexanderplatz war wegen ihrer pseudogotischen, ganz in Rot gehaltenen Bogenfassade umstritten, immerhin stand sie auf dem Gelände des ehemaligen Polizeipräsidiums und späteren Gestapohauptquartiers mit dem sprechenden Beinamen
Rote Burg
.
    »Na gut.« Muth zuckte mit den Achseln. »Kann mir ja letztlich auch egal sein. Aber ich hoffe, dass sich das bald wieder legt. Auf Dauer hält man das Gezanke nämlich nicht aus. Dann würde ich mir ernsthaft überlegen, zurück …«
    »Das wirst du schön bleiben lassen!«, beendete Kalkbrenner sein Schweigen.
    Muth schmunzelte. »Ach, werde ich das? Und warum?«
    Nach den Senatswahlen im letzten Oktober hatte der neue Innensenator Dr. von Hirschfeldt sein Wahlversprechen wahr gemacht und die Polizeibehörden personell aufgestockt. Dabei war auch eine Planstelle im Morddezernat Berlin-Mitte entstanden, bei der man sich nicht ohne Grund für Muth entschieden hatte. »Weil du von uns allen den wichtigsten Job hast.«
    »Weil ich Türkin bin?«
    Auch Muths Kombinationsgabe war nicht zu verachten.
    »Eure Quotentürkin, nicht wahr?«
    »Nein, das ist der total falsche Ausdruck. Du bist das Bindeglied zu den Ausländern. Oder, wenn ich es politisch korrekter formulieren darf, den Migranten in den Kiezen.«
    »Also die Migrationsbeauftragte vom Dienst, toll.« Muths Spott war nicht zu überhören, trotzdem schwang noch etwas anderes in ihrer Stimme mit: eine Mischung aus Trotz und Bitterkeit.
    Die Ampel sprang auf Grün. Vor ihnen hetzten noch ein paar Nachzügler mit vollen Taschen auf die andere Straßenseite. Der Fahrer des Pkws hinter ihnen hupte ungeduldig, bis Muth endlich anfuhr. »Als hätte ich es als Frau nicht schon schwer genug.«
    »Jetzt hab dich nicht so. Du bist doch nicht die erste Polizeibeamtin.«
    »Aber die erste türkische Polizeibeamtin.«
    »Deshalb also deine direkte, knappe Art?«
    »Ja, als kleines Gegengewicht zu Bergers ausschweifenden Ergüssen«, spöttelte sie.
    »Das kann man wohl sagen.«
    Sofort wurde Muth wieder ernst. »Mit schönen Worten komme ich nicht weit. Das habe ich schon früh gemerkt, in der Grundschule. Später auf dem Gymnasium, der Polizeischule und erst recht auf der Straße wurde mir das immer wieder deutlich vor Augen geführt. Wenn man sich als Frau behaupten will, gibt es nur eine Chance: nicht reden, sondern handeln. Als

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