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Trigger - Dorn, W: Trigger

Titel: Trigger - Dorn, W: Trigger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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zu lesen. Der Code, mit dem die medizinischen Fachdienste untereinander korrespondierten, entstammte der durch die WHO weltweit anerkannten
Klassifikationsliste für Krankheiten. F20.0 gehörte zu den am häufigsten gestellten Diagnosen, mit denen Ellen in ihrem Alltag zu tun hatte. Es war der Code für paranoide Schizophrenie.
    Ellen schaute noch genauer hin, um sehen zu können, ob es sich nur um eine schlampig geschriebene Zahl handelte. Die Lesbarkeit dieser Handschrift ließ in der Tat einiges zu wünschen übrig – sieht hingerotzt aus, hätte der ordnungsliebende Chris gesagt -, aber dennoch war kein Irrtum möglich. Frau Dr. März hatte F20.0 eingetragen. Weshalb sonst hätte sie Walter Brenner in die benachbarte Fachklinik für Psychiatrie bringen lassen sollen, wenn sie nicht der Ansicht gewesen wäre, er sei schizophren?
    »Waren Sie schon einmal bei uns, Herr Brenner?«, erkundigte sich Ellen, und da sie ohnehin keine Antwort erwartete, befragte sie den Stationscomputer. Brenners Name ergab ein Suchergebnis. Der Aktenvermerk stammte von ihrem Kollegen Mark Behrendt. Was Mark dort in kurzen Sätzen festgehalten hatte, verschlug ihr die Sprache.
    Sie wandte sich wieder Herrn Brenner zu und griff nach seiner Hand, die sich wie die einer Mumie anfühlte. Dafür erntete sie zum ersten Mal Brenners Aufmerksamkeit. Seinem Blick fehlte jedoch jegliches Anzeichen für ein Erkennen seines Gegenübers, etwa im Sinne von »Aha, das ist eine Frau, die einen weißen Kittel trägt«. Stattdessen sagte die Art, mit der er sie ansah, genau das, was er auch artikulierte: »Agnnnngallll.«
    Nun kniff Ellen in die lederartige Haut im Handrücken des Mannes. Wie ein Stück Knetmasse blieb die Falte stehen.
    »Unglaublich!« Als sie den fragenden Ausdruck auf Schwester Marions Gesicht sah, fügte Ellen hinzu: »Geben
Sie ihm Kochsalzinfusionen, so schnell wie möglich. Ich denke, dann werden wir in nur wenigen Stunden einen ganz anderen Herrn Brenner vor uns haben.«
    Die Schwester legte die Stirn in Falten, was sie wie einen Mops aussehen ließ. »Wie bitte?«
    »Nicht nur Gott kann kleine Wunder vollbringen. Nicht wahr, Herr Brenner?«
    »Garrrrrssssssllll«, machte der Alte. Dann furzte er, und Ellen war heilfroh, den Raum verlassen zu können.
    Sie eilte über den Gang, stürmte in ihr Büro und ließ die Tür ins Schloss fallen.
    Es dauerte eine Weile, bis es der Schwester in der Notaufnahme des Stadtklinikums gelang, Frau Dr. März ans Telefon zu holen. Ellen wartete ungeduldig. Sie legte den Hörer neben sich und rief in ihrem Laptop noch einmal die Datei mit Herrn Brenners Vorgeschichte auf, während aus dem Hörer eine Synthesizer-Melodie dudelte, bei der es sich offenbar um eine Sequenz aus Mozarts Kleiner Nachtmusik handeln sollte. Mit jeder Wiederholung dieser Melodie schwoll Ellens Wut noch ein Stück weiter an.
    Schließlich knackte es in der Leitung, dann meldete sich eine Frauenstimme mit einem hektischen »März!«.
    »Dr. Roth, Waldklinik. Es geht um Herrn Brenner, den Sie zu uns überwiesen haben.«
    »Hören Sie, Frau Kollegin, hat das nicht Zeit? Ich weiß im Moment nicht, wo mir der Kopf steht. Meine Patienten …«
    »Genau darum geht es. Um einen Ihrer Patienten. Sagen Ihnen die Begriffe Exsikkose und Dehydration etwas? Falls nicht, will ich es Ihnen leichter machen: Sie wissen doch, dass ältere Menschen gerne mal das Trinken vergessen.«

    »Bitte?«
    »Sie wissen bestimmt auch, dass Verwirrtheit, Ausfall des Sprechvermögens und die simple Tatsache, dass sich ausgetrocknete Haut aufstellen lässt, ohne sich wieder zusammenzuziehen, erste Anzeichen des Verdurstens sind. Und genau das, liebe Frau Kollegin, trifft auf Herrn Brenner zu, den Sie mir gerade haben bringen lassen. Den angeblich schizophrenen Herrn Brenner, um es deutlicher zu sagen.«
    Ellen holte tief Luft und bot Dr. März Gelegenheit für einen Kommentar.
    »Aha«, kam es aus dem Hörer. »Sind Sie denn mit seiner Vorgeschichte vertraut?«
    »Was genau meinen Sie?«
    »Die Nachbarin von Herrn Brenner hat mir berichtet, dass er schon einmal in Ihrer Klinik war. Damals hat ihn die Polizei zu Ihnen gebracht, nachdem er am helllichten Tag aus seinem Küchenfenster uriniert und wirres Zeug geredet hatte. Den vorbeigehenden Leuten hatte er zugerufen, sie sollten aus seiner Toilette verschwinden.«
    »Meine liebe Frau März, das mag ja alles richtig sein. Allerdings hätten Sie besser nicht so vorschnell auf die Aussagen einer Nachbarin

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