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Trigger - Dorn, W: Trigger

Titel: Trigger - Dorn, W: Trigger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wulf Dorn
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erkannte ihr Umfeld als Marks Wohnung wieder.
    Rrrrrrrriiiinnnggg!
    Abermals klingelte das Telefon auf dem Flur. Ellen konnte es durch die offen stehende Wohnzimmertür sehen. Es blinkte in der Ladestation und hörte sich wie eines der großen schwarzen Bakelitmonster aus den Vierzigerjahren an; dabei war das Mobilteil kaum größer als ein Handy.
    Rrrrrrrriiiinnnggg!
    Ein ziemlich unangenehmer Klingelton, der trotz aller Vorliebe für Nostalgie gewaltig in den Ohren schepperte. Vor allem, wenn man unter Migräne litt.
    Ellen war erleichtert, als nach dem dritten Läuten der Anrufbeantworter anging. Sie hörte eine Männerstimme, konnte aber nicht verstehen, was sie sagte.
    Im Moment interessierte sie das auch nicht sonderlich, denn ihr war etwas anderes ins Auge gefallen. Etwas, das sie überaus erstaunte.
    Obwohl der Heiligabenddienst alles andere als ein Zuckerschlecken sein konnte, gehörte Ellens erstes Weihnachten auf Station 9 zu den schönsten Erlebnissen ihres bisherigen beruflichen Lebens. Die Erinnerung daran war so lebendig in ihr, als sei es erst gestern gewesen.
    Chris und sie hatten gemeinsam mit den beiden Pflegern Lutz und Dieter Dienst gehabt, ein sympathisches Duo, das ebenfalls ein Pärchen war.
    Die zwei Pfleger hatten sich kräftig ins Zeug gelegt. An
Lutz war ein wirklich guter Dekorateur verlorengegangen, während Dieter die Patienten von seiner Erstausbildung als Bäcker und Konditor profitieren ließ. Den ganzen Nachmittag über hing der Duft nach Gebäck in der Luft und weckte die Vorfreude auf den Tisch im Speiseraum, auf dem abends gehäufte Teller mit Nüssen und frisch gebackenen Plätzchen warteten.
    Chris griff mit großem Appetit zu. Vor allem Dieters Kokosmakronen hatten es ihm gewaltig angetan. Ellen wies ihn ein paar Mal auf seinen kleinen Bauchansatz hin, der irgendwann ein großer Bauchansatz und schließlich ein Bauch werden würde, wenn er so weiter futterte. Das sorgte bei allen Anwesenden für Gelächter, besonders als Chris knallrot anlief und beschämt grinste.
    Irgendwie war dieser Weihnachtsabend ein ganz besonderer. Ganz gleich ob Patient, Pfleger oder Arzt, alle fühlten sich für ein paar Stunden wie eine große Familie.
    Natürlich gab es auch ein paar Ausnahmen: Patienten, denen der emotionale Druck zu schaffen machte, den dieses Fest auslösen kann – entweder, weil sie keine Angehörigen hatten, bei denen sie die Feiertage hätten verbringen können, oder, noch schlimmer, wenn die Angehörigen selbst zu Weihnachten nichts von dem bekloppten Verwandten wissen wollten. Diese Patienten hatten auf ihren zusätzlichen Medikamentenbedarf zurückgegriffen und waren früh zu Bett gegangen.
    Später stieß auch noch Mark von der oberen Station dazu. Sie tranken alkoholfreien Punsch, unterhielten sich und spielten Brettspiele, während Dieter in unbestimmter Reihenfolge CDs von Chris Rea, Bryan Adams und den Red Hot Chili Peppers auflegte …

    Dieser ganz besondere Abend lag nun fast vier Jahre zurück und war ein einmaliges Erlebnis gewesen. Einmalig vor allem deshalb, da Lutz und Dieter im März des darauffolgenden Jahres während eines Türkei-Urlaubs ums Leben gekommen waren, als ein Busfahrer am Steuer einnickte.
    Irgendwann während dieses Weihnachtsfests war das Foto entstanden, das Ellen nun vor sich hatte. Sie glaubte sich zu erinnern, dass Lutz seine Kamera dabeigehabt und das Bild auch aufgenommen hatte. Es zeigte Ellen, die zwischen Chris und Mark stand, beide im Arm hielt und von Mark einen Kuss auf die Wange erhielt. An diesen Kuss erinnerte sie sich nicht mehr, aber das war auch nicht das Entscheidende.
    Entscheidend war, dass sich dieses Foto in Großformat auf der ersten Seite eines Albums in Marks Bücherbord befand. In einem Album, auf dessen Deckel und Rücken der Name
    ELLEN
     
    mit schwarzem Edding-Stift geschrieben stand. In einer Handschrift, die sie nun wiedererkannte. Es war dieselbe Schrift wie die auf dem Schlüsselanhänger.
    Es geht los
     
    Ellen hatte das Gefühl, als sei ihr Körper von einer Sekunde zur nächsten in einen Eisblock gefroren worden.
    Dass Chris die dritte Person neben ihr und Mark auf diesem Foto sein musste, war nur noch an seiner Haltung und
dem Norwegerpullover zu erkennen, den er in jenem Winter so gern getragen hatte. Irgendjemand hatte sein Gesicht bis zur Unkenntlichkeit aus dem Bild gekratzt.
    Nein, nicht irgendjemand. Es musste Mark selbst gewesen sein, da machte sie sich nichts vor.
    Ungläubig blätterte sie

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