Trigger - Dorn, W: Trigger
sah sie den Mann mit dem schwarzen Kapuzenshirt, der vom anderen Ende des Parkdecks auf sie zurannte.
Kapitel 24
Im Jahr 2005 veröffentlichte ein Neurobiologe mit dem klangvollen Namen Rodrigo Quian Quiroga einen Studienbericht über das nach der gleichnamigen Schauspielerin benannte Halle-Berry-Neuron.
Dieser Studie zufolge ist für das Erkennen bekannter Personen, Tiere oder Objekte jeweils eine bestimmte Nervenzelle im Gehirn zuständig. Die Bezeichnung kam deswegen zustande, weil bei den Probanden ein bestimmtes Neuron reagierte, wenn man ihnen ein Bild der Schauspielerin zeigte. Dieses Neuron schlug selbst dann an, wenn Halle Berry das Latexkostüm von Catwoman trug.
Solch ein Neuron reagierte nun auch bei Ellen, als sie den Mann auf sich zurennen sah. Es erkannte Größe, Statur und Kleidung, obwohl sein Gesicht von der tief in die Stirn gezogenen Kapuze nahezu verdeckt war. In Sekundenbruchteilen sendete Ellens neuronales Netzwerk eine Botschaft durch ihr limbisches System, das für die Verarbeitung von Emotionen und Triebverhalten zuständig ist.
Diese Botschaft lautete: DER SCHWARZE MANN!
UND SEINE HALTUNG DEUTETE ELLENS VERSTAND DEFINITIV ALS ANGRIFF.
Blitzschnell machte Ellen kehrt und rannte zurück ins Treppenhaus. Sie hastete die Treppen nach oben und hörte ihren Verfolger dicht hinter sich – seinen Atem, seine Schritte. Er war schnell, doch sie konnte den Vorsprung halten. Zwar beanspruchte Treppensteigen einen anderen Teil der Beinmuskulatur als das Joggen auf einer ebenen
Strecke, aber ihre Kondition war um einiges besser als die des Kerls, der hinter ihr herlief.
Es ist nicht Chris, sagte ein Teil ihres Verstandes, während ein anderer Teil ihr klar und deutlich zu verstehen gab, dass es höchste Zeit war, die Beine in die Hand zu nehmen. Chris würde niemals solch ein Sweatshirt tragen – schon gar nicht eines mit Kapuze. Und war er nicht auch etwas kleiner als ihr Verfolger? Darüber würde sie sich später Gedanken machen. Jetzt hieß es erst einmal laufen. So schnell es ging.
Noch eine Treppe bis zum Ausgang im Erdgeschoss. Und weit und breit kein Mensch außer ihnen.
Zwanzig Stufen, schätzte sie.
Fünfzehn.
Zehn.
Allmählich holte er auf.
Scheiße, ich schaffe es nicht bis auf die Straße!
Sie erreichte das Erdgeschoss. Er war immer noch dicht hinter ihr. Sie spürte seine Hand, die vom glatten Leder ihrer Jacke abglitt.
Etwa vierzig Meter bis ins Freie.
Zu weit!
Ihr blieb nur eine Möglichkeit. Unter Aufgebot all ihrer Kraft – wobei sie sämtliche Schmerzen ignorierte, die ihr nach den beiden Schlägereien geblieben waren – stürmte sie in die Damentoilette neben dem Kassenautomaten. Sie warf die Tür zu, schmiss sich dagegen, hörte den Aufprall seines Körpers und verriegelte die Tür.
Sie war in Sicherheit.
Aber gleichzeitig saß sie auch in der Falle.
»Hallo, Ellen.«
Die gedämpfte Stimme jagte ihr eisige Schauer über den Rücken. Sie kannte diese Stimme! Ja, verdammt, sie kannte sie! Aber woher? Sie klang nicht wie die von Chris. Andererseits war sie viel zu gedämpft, als dass sie Chris wirklich ausschließen konnte.
»Was wollen Sie von mir? Ich habe doch getan, was Sie gesagt haben.«
»Ja, das hast du.«
Auch wenn Ellen sein Gesicht noch nie gesehen hatte, glaubte sie dennoch, ihn beim Sprechen grinsen zu hören. Ein kaltes, wahnsinniges Grinsen. Sie stellte sich dieses Grinsen in Chris’ Gesicht vor – was ihr tatsächlich gelang!
»Chris? Verdammt noch mal, bist du das?«
»Lös das Rätsel, dann weißt du es. Oder … du machst jetzt die Tür auf, wenn du Mut hast.«
Ellen wurde von Angst geschüttelt. Sie griff nach dem Riegel – und zuckte dann zurück. Der Gedanke, was ihr dieser Wahnsinnige im Wald angetan hatte, nahm ihr jeglichen Mut. Im schlimmsten Fall wäre das Öffnen der Tür eine Einladung für diesen Psychopathen, sie in die Kabine zu drängen und totzuprügeln.
»Warum ich?« Ellen schlug vor Wut und Verzweiflung gegen die Tür. »Was habe ich Ihnen denn getan?«
»Denk nach, Dummerchen.« Ein Kichern im Flüsterton. »Beim nächsten Rätsel solltest du aufmerksam hinhören.«
»Warum sagst du mir nicht endlich, was du willst, du verdammter Spinner?«
»Nanana, das ist aber nicht nett. Doch wenigstens sind wir jetzt per Du. Hör also genau hin. Die Zeit läuft, vergiss das nicht. Deine Zeit und die von …«
Die letzten Worte waren viel zu leise, als dass Ellen sie hätte durch die Tür verstehen können.
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