Trinity (German Edition)
Tag gelegt und tat das auch jetzt nicht. Das Einzige, was ihn beschäftigte, war seine Person und sein Projekt. Dabei hatte er gar keine richtige Vorstellung davon, was er da ins Leben rief – und Elizabeth hatte inzwischen keine Ahnung mehr, wie sich alles entwickeln würde. Dazu hatte sich zu viel geändert.
Groves drückte seine Zigarre in dem Aschenbecher unter dem Fenster aus. Elizabeth versuchte, das Fenster zu öffnen, um etwas frische Luft hereinzulassen, aber der Verschluss funktionierte nicht.
Der General klappte seine Aktentasche auf und starrte auf die darin enthaltenen Papiere. Als er dann wieder zu reden begann, klang es so, als habe er endgültig beschlossen, sie in etwas Wichtiges einzuweihen. »Der eigentliche Grund, dass wir jetzt nach Oak Ridge müssen, ist, dass ich bei einer äußerst wichtigen Inspektion anwesend sein möchte. Allem Anschein nach regt sich einer dieser Schwachköpfe auf dem Kongress, Albert Engel aus Michigan, über das viele Geld auf, das wir ausgeben, und darüber, dass keiner Zugang zu unseren Abrechnungen hat. Er ist der Meinung, ich hätte ein großangelegtes Betrugsmanöver an den amerikanischen Steuerzahlern inszeniert, und macht in der Öffentlichkeit ein großes Theater darum.«
Groves seufzte. »Das hat uns gerade noch gefehlt – ein dämlicher Kongressabgeordneter, der die öffentliche Aufmerksamkeit auf ein Milliarden-Dollar-Geheimprojekt lenkt, an dem wir seit Jahren arbeiten. Da könnte er ebenso gut gleich einen maschinengeschriebenen Bericht an die Krauts schicken!«
Elizabeth sah ihn an. Sie hatte bis zur Stunde noch nie über die Finanzierung des Projekts nachgedacht. »Sie meinen, all die Arbeiten, all das Geld, und niemand im Kongress weiß davon? Niemand hat die Ausgaben genehmigt?«
»Roosevelt hat sie genehmigt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, es ist Krieg, und er hielt das für sein Recht. Oh, Kriegsminister Stimson und ein paar andere haben sich mit dem Sprecher des Repräsentantenhauses und den Fraktionsführern zusammengesetzt und ihnen die Dringlichkeit des Projekts und all das erklärt. Sie haben sich mit den Erklärungen zufriedengegeben und versprochen, sich erst nach dem Krieg näher darum zu kümmern. Aber man kann das nicht jedem sagen. Und wenn wir versuchen, den Kongressabgeordneten Engel dazu zu bringen, dass er den Mund hält, wird er nur noch geschwätziger. Ganz besonders jetzt, wo in ein paar Monaten Wahlen sind, und Dewey in den Meinungsumfragen vorn liegt, sucht jeder nach Mitteln und Wegen, um die Leute im Amt abzuschießen.« Groves quetschte seinen Zigarrenstummel noch einmal in den Aschenbecher.
»Und was ist das für eine Inspektion in Oak Ridge?«, fragte Elizabeth.
»Kriegsminister Stimson wird Engel begleiten. Ich soll als Leiter des ganzen Projekts zugegen sein und sie herumführen, Engel so wenig wie möglich sagen und mächtigen Eindruck auf ihn machen.«
»Ich dachte, wir würden nachsehen, welche Fortschritte die Uranherstellung macht?«
»Nun, das ist jedenfalls der Hauptgrund. Stimson sollte überhaupt nicht reisen. Sein Gesundheitszustand ist so schlecht, dass er kaum gehen kann. Er braucht einen Stock. Wir haben überall in Oak Ridge neue Rampen einbauen lassen, sämtliche Türknöpfe poliert, alle Fenster saubergemacht und die Gehsteige gefegt. Aber von den Leuten in Oak Ridge weiß natürlich keiner, dass Stimson kommt. Wenigstens die Hälfte rechnen mit Roosevelt, und glauben, dass die Rampen für seinen Rollstuhl gedacht sind.«
Groves sah sie mit seinen wässrigen Augen an, blies die Backen auf, und sein Tonfall wirkte jetzt beinahe menschlich: »Also, seien Sie bitte kooperativ und helfen Sie mir, wenn ich etwas brauche. Das ist wirklich wichtig.«
Elizabeth runzelte die Stirn und begriff plötzlich, dass Groves tatsächlich Angst vor ihr hatte. »Okay, das mache ich«, sagte sie. »Aber gewöhnen Sie sich nicht daran.«
Im Spätsommer waren die Hügel von Tennessee grün und voll Insekten, von denen die meisten bissen oder stachen. Die Feuchtigkeit in der Luft ließ Elizabeth allein schon von der Anstrengung des Atmens in Schweiß ausbrechen. Ihr Baumwollkleid klebte ihr am Leib und juckte. Sie hatte das Fenster auf der Beifahrerseite der Limousine heruntergekurbelt, aber selbst der Luftzug half nichts.
Auf dem hinteren Sitz der Limousine saß General Groves in einer sauberen, frisch gebügelten Uniform und nahm mehr Platz ein, als ihm eigentlich zukam. Neben dem General saß der
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