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Troja

Troja

Titel: Troja Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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alle Begleitung entlassen hatten, jagten sie den im Weihbezirk Poseidons freigelassenen Stieren mit Knüppeln und Schlingen, ohne eine Eisenwaffe, nach, den Gott anflehend, sie das ihm wohlgefällige Opfer einfangen zu lassen; den eingefangenen Stier aber führten sie zur Säule und opferten ihn über jener Schrift auf dem Knaufe derselben. Auf der Säule aber befand sich außer den Gesetzen eine Eidesformel, die schwere Verwünschungen über die ihnen den Gehorsam Verweigernden herabrief. Wenn sie nun, nachdem sie ihren Vorschriften gemäß das Opfertier geschlachtet, die Weihung aller Glieder des Stiers vornahmen, dann füllten sie einen Mischkrug und schleuderten für jeden ein Klümpchen Blutes hinein, das übrige aber trugen sie, nachdem sie ringsum die Säule reinigten, in das Feuer. Darauf schöpften sie mit goldenen Trinkschalen aus dem Mischkruge, gossen ihr Trankopfer in das Feuer und schworen dabei, ihre Urteile den auf der Säule aufgezeichneten Gesetzen gemäß zu fällen und, wenn jemand in etwas dieselben übertreten habe, ihn zu bestrafen, in Zukunft aber in keinem Punkte das Aufgezeichnete zu übertreten sowie weder einen den Geboten des Vaters zuwiderlaufenden Befehl zu geben noch einem solchen zu gehorchen. Nachdem jeder von ihnen feierlich dieses Gelübde für sich selbst und seine Nachkommen getan, getrunken und die Schale in dem Tempel des Gottes geweiht hatte, sorgte er für seine Abendmahlzeit und anderer Bedürfnisse Befriedigung. Wurde es nun finster und war das Opferfeuer niedergebrannt, dann legten alle ein sehr schönes dunkelblaues Gewand an, ließen sich an der Brandstätte des beim Eidschwur dargebrachten Opfers nieder und empfingen während der Nacht, nachdem sie alle Feuer um den Tempel herum ausgelöscht, wenn etwa einer den andern einer Gesetzesübertretung beschuldigte, Urteilssprüche und fällten sie. Diese von ihnen gefällten Urteilssprüche verzeichneten sie, sobald der Tag anbrach, auf einer goldenen Tafel und weihten diese mitsamt ihren Gewändern zur Erinnerung.
    Über die Ehrenrechte der einzelnen Könige gab es manche besonderen Gesetze, das wichtigste aber war, keiner solle gegen den andern die Waffen erheben und alle Beistand leisten, wollte etwa jemand unter ihnen versuchen, in irgendeinem Staate dem Königshause den Untergang zu bereiten, gemeinsam aber, wie ihre Vorgänger, sollten sie sich beraten über Krieg oder andere Unternehmungen und dabei dem atlantischen Geschlechte den Vorrang einräumen. Jedoch einen seiner Anverwandten zum Tode zu verurteilen, das sollte, ohne Zustimmung des größeren Teils der zehn, in keines Königs Gewalt stehen.
     
    Die damals in jenen Gegenden in solchem Umfange und so geübte Herrschgewalt stellte nun der Gott gegen unsere Lande, durch Folgendes, wie erzählt wird, dazu veranlaßt. Viele Menschenalter hindurch, solange noch die göttliche Abkunft bei ihnen vorhielt, waren sie den Gesetzen gehorsam und freundlich gegen das verwandte Göttliche gesinnt; denn ihre Gedanken waren wahr und durchaus großherzig, indem sie bei allen sie betreffenden Begegnissen sowie gegeneinander Weisheit mit Milde gepaart bewiesen. So setzten sie auf jeden Besitz, den der Tugend ausgenommen, geringen Wert und ertrugen leicht, jedoch als eine Bürde die Fülle des Goldes und des anderen Besitztums. Üppigkeit berauschte sie nicht, noch entzog ihnen ihr Reichtum die Herrschaft über sich selbst oder verleitete sie zu Fehltritten; vielmehr erkannten sie nüchtern und scharfen Blicks, daß selbst diese Güter insgesamt nur durch gegenseitige mit Tugend verbundene Liebe gedeihen, daß aber durch das eifrige Streben nach ihnen und ihre Wertschätzung diese selbst sowie jene mit ihnen zugrunde gehe.
    Bei solchen Grundsätzen also und solange noch die göttliche Natur vorhielt, befand sich bei ihnen alles früher Geschilderte im Wachstum; als aber der von dem Gotte herrührende Bestandteil ihres Wesens, häufig mit häufigen sterblichen Gebrechen versetzt, verkümmerte und das menschliche Gepräge die Oberhand gewann: da vermochten sie bereits nicht mehr ihr Glück zu ertragen, sondern entarteten und schienen, indem sie des schönsten unter allem Wertvollen sich entäußerten, dem, der dies zu durchschauen vermochte, in schmachvoller Gestalt; dagegen hielten sie die des Lebens wahres Glück zu erkennen Unvermögenden gerade damals für hochherrlich und vielbeglückt, wo sie des Vollgenusses der Vorteile der Ungerechtigkeit und Machtvollkommenheit sich

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