Tropfen im Ozean
Organisation Was uns verband, war das Feeling für Atmosphäre und Stimmung. Da tickten wir genau gleich und das war eine herrliche Voraussetzung.
Doch so aufgeschlossen Herr Kropp bei der ersten Datenaufnahme gewesen war, so verriegelt gab er sich beim zweiten Termin. Ich verstand das nicht. Er machte vollständig dicht. Als ich J davon berichtete, lachte er.
„Da hat ihm bestimmt seine Olle den Kopf zurechtgestutzt“, grinste er. „Das ist nämlich die Pissnelke hoch drei. Eine vollkommen dumme Kuh, weiß gar nicht, was der an ihr findet, außer, dass sie einen sehr schönen Busen hat – und jetzt bereut er, dass er den Vertrag unterschrieben hat“.
Genau dieses Gefühl hatte ich auch: Herr Kropp bereute, den Vertrag unterschrieben zu haben. Und immer öfter ließ er verlauten, sich nicht vorstellen zu können, dass sich Kunden von Fotos mit Sägespänen inspiriert fühlten und ähnliches. Dummerweise steckte er damit natürlich seine ganze Crew an, so dass wir uns mit der Tatsache konfrontiert sahen, am ersten Drehtag einen völlig unmotivierten Haufen vorzufinden. Ich war verzweifelt. Zwischenzeitlich hatte Kropp sogar bei J angerufen und Bedenken angemeldet, ob das mit der ‚Frau’ und dem ‚Schüler’ überhaupt etwas werden konnte.
J hatte ihm nur gesagt: „Warts ab. Motzen kannst du hinterher. Du weißt doch noch gar nicht, was rauskommt“.
„Das ist es ja“, lamentierte Kropp. „Ich Affe spiele gerade blödes Versuchskaninchen für deine Tante, die noch nie vorher einen eigenständigen Film gedreht hat – so sieht’s nämlich aus! Sie hat keinen Namen und keine Erfahrung! Ich hab mich erkundigt, min Jung, und wenn mir der Streifen nicht gefällt, zahl ich keine müde Mark, das garantier ich dir“.
J gab diesen Dialog ungeschminkt an mich weiter. Rob und ich hängten uns rein, als ob unser Leben davon abhinge. Und an sich war es auch so - dieser Film war mehr als ein Debüt. J beobachtete mich mit Argusaugen und holte keine neuen Aufträge herein. Er wartete genauso ab wie Kropp.
Doch neben der Filmarbeit mussten wir ja auch das Studio aufbauen. Rob richtete nächtelang Programme ein und schuf sich, zumindest technisch, einen einigermaßen passablen Arbeitsplatz. Eingeklemmt saßen wir zwischen eiligst gekauften Scheinwerfern und Planen, Reflektoren und unzähligen Utensilien, Rob auf dem einzigen Stuhl, ich auf meiner müffelnden Ex-Katzenklo-Matratze.
Die Kongruenz zwischen Rob und mir war unser Kapital. Und die Tatsache, dass alle Beteiligten so schlecht drauf waren, eröffnete uns eine Arbeitsmethode, die für unsere Zukunft entscheidend werden sollte: Wenn die Leute so schlecht drauf waren, mussten wir sie eben aufheitern. Irgendwie! Und das Beste, um jemanden in eine bestimmte Stimmung zu versetzen, war: Musik und Lachen.
So brachten wir zu unserem ersten Drehtag einen mp3 Player plus Boxen mit. Es war beeindruckend zu sehen, wie die Musik die Mienen der Mitwirkenden veränderte, ihnen den richtigen Ausdruck verlieh und eine Stimmung schuf, die schlicht ans Herz ging.
Rob erzählte einen blöden Witz nach dem anderen - darin war er Weltmeister - und zauberte den Leuten damit dieses Glitzern ins Auge und Freude am Tun. Technisch improvisierten wir, wo wir nur konnten – setzten einen Seilzug ein, an den wir unsere teure, neue Kamera hängten, fuhren mit dem Gabelstapler durch den Betrieb, an den wir Rob samt Kamera festbanden und benutzten den Rollator von Opa Kropp, um einen Schieneneffekt zu erzeugen. Wir hatten viel Spaß bei den Aufnahmen und betätigten uns nicht nur als Regisseur und Kameramann, sondern vor allem als Animateure.
Der erste Tag lief super und obwohl alle Beteiligten nach dem ersten Tag gutgelaunt und aufgeräumt nach Hause gegangen waren, änderte sich das am zweiten Drehtag abrupt. Kropps Frau hatte alle Ehegattinnen beim extra einberufenen Kaffeekränzchen aufgemischt und so fanden unsere Darsteller es im Nachhinein komisch, was wir von ihnen verlangt hatten. Sie kamen sich plötzlich doof vor und der Abschuss war, dass einer von ihnen sich weigerte, die Einverständniserklärung wegen der Veröffentlichung zu unterschreiben. Wir baten ihn, sich das Ganze nochmal zu überlegen, aber der Mann war stur und sagte, er wolle sich nicht lächerlich machen. Kropp machte ein unheilschwangeres Gesicht und erneut hatten wir Angst, er würde alles kippen. Am Ende einigten wir uns darauf, den Mann so in den Hintergrund zu stellen, dass sein Gesicht nicht
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