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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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führt kein Weg dran vorbei“.
    Herr Kropp schaute unsicher von mir zu J. Mit diesem Satz hatte ich ihn erwischt, das spürte ich und J auch.
    „Und der Telefoneintrag muss genauso aussehen wie die Visitenkarte!“ sagte Joe, der wieder an Fahrt gewann. „Und? Hast du einen anständigen Telefon-Eintrag?“
    „Noch nicht“, gab der Schreiner zu.
    „Macht alles sie“, sagte J und deutete wieder auf mich. „Hast du ein Logo? Nein? Macht sie auch. Ich druck dir die Flyer zum Sonderpreis. Und den Film kriegst du auch zum Sonderpreis! Herr Jesus Christus, wenn du nicht endlich deinen Servus unter den Schrieb hier setzt, geh ich halt zu deiner Konkurrenz! Und warum bin ich bei dir? Weil ich an dich glaube, du alter Sack! Los, hier ist der Stift... da unten! Wo das Kreuz ist!“
    Ich war sprachlos. Wie ging J nur mit seinen Kunden um? Aber der Clou war: Es funktionierte. Kropp kratzte sich noch ein paar Schuppen von der Kopfhaut, aber er unterschrieb. Immerhin war er clever genug, eine Pauschale zu fixieren, die mir zusätzlich den Atem nahm, weil sich das niemals rechnen würde.
    Am Ende allerdings hatten wir zwischen Leberwurstbrot, Bier und Sägespänen unseren ersten Auftrag über Visitenkarten, Plakate, Aufkleber, Flyer, ein Banner, der Gestaltung einer Homepage, nicht zu vergessen den Telefoneintrag nebst Designen eines Logos und unseren ersten Film in der Tasche. Mir wurde schwindlig. Wir hatten kein Studio, einen Kameramann, von dem ich noch gar nicht wusste, was er konnte und so gut wie kein Equipment.
     
    „Uff“, sagte ich beunruhigt, als wir wieder im Auto saßen. „Wir hätten Rob mitnehmen sollen“.
    „Nee, du“, klärte J mich auf. „Das hätte gar nicht gepunktet. Der sieht aus wie ein Schüler, den nimmt doch keiner ernst. Das ist bei dir schon ganz anders!“
    Befriedigt sah er mich an. Die Ampel stand auf Rot und sein Blick glitt über den Anzug, den ich trug bis zu meinen Pumps. Dann beugte er sich zu mir rüber, kam mit seiner Hand an meine Brust – aus Versehen? – seine grauen Augen glitzerten, bevor er mich küsste. Auf den Mund.
    Ich erstarrte wie ein verschrecktes, von Autoscheinwerfern angeleuchtetes Kaninchen. Thanatose. Das tat ich immer, wenn ich nicht weiterwusste.
     
    Am Nachmittag waren wir zurück und ich arbeitete bis spät in die Nacht. Zusammen mit Rob wälzte ich Kataloge, schrieb Bestelllisten, erstellte Kalkulationen, ging ins Internet, um nach Räumlichkeiten zu suchen, und vereinbarte mit Rob einen weiteren Besprechungstermin bei Herrn Kropp. Ich musste wissen, was Rob drauf hatte, wie er tickte, musste mit ihm gemeinsam Vorstellungen erfragen, ein Drehbuch entwerfen und betete, dass Rob hielt, was J versprochen hatte. Denn dass J möglicherweise generell ein bisschen zu viel versprach, hatte ich inzwischen zu Genüge geschnallt.
     
    Der Tag, an dem ich mit Rob zu Herrn Kropp fuhr, war eine Offenbarung für mich und die eigentliche Verheißung für eine glorreiche Zukunft. Ganz ehrlich – nach dem ersten Termin mit Kropp und J hatte ich mir erhebliche Fragen gestellt und meinen Vertrag nochmals mit anderen Augen gelesen. J hatte kein Wort von Logo-und webdesign oder ähnlichem verloren. Nicht eines! Und wenn sich Rob nun als Pfeife herausstellen sollte, dann würde mir das immense Bauchschmerzen bereiten. J und seine Berührungen kamen mir in den Sinn. Der Blick seiner grauen Augen. Seine Küsse. Mir wurde heiß und ich konnte, wollte mir keinen Reim auf all das machen.
    „Alles klar?“ fragte Rob, der neben mir saß und meinen geistesabwesenden Blick bemerkt hatte.
    „Jaja... alles klar, hab nur an diesen Schreiner gedacht... und an den Film... bin gespannt, was du zu der Sache sagen wirst“.
    Für jeden von uns war dies ein schicksalhaftes Date. Rob machte seine Anstellung bei J von mir und ich meine von ihm abhängig. Keiner kannte den anderen, wusste weder was er konnte noch wie er dachte. Wenn also unsere Vorstellungen und Arbeitsweisen nicht zusammenpassen würden, wäre das eine Katastrophe.
    Doch Rob war einfach unglaublich. Als der erste Schockmoment in der Schreinerei wegen seines jugendlichen Aussehens vorbei war, offenbarte er eine Kompetenz, die mir das Herz wärmte.
    Er ging im Betrieb umher, stellte die richtigen Fragen, schaute sich fachmännisch die Maschinen an, ließ sie sich erklären, untersuchte die Lichtverhältnisse, den Sonneneinfall und beäugte die Mitarbeiter wie ein Visagist. Wir beide schossen bei der Besichtigung unentwegt

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