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Tropfen im Ozean

Tropfen im Ozean

Titel: Tropfen im Ozean Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Subina Giuletti
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Auftrag realisiert und du kommst mit so ner Forderung an?“
    „Die Frage ist, ob du jemals einen Auftrag realisieren wirst, wenn du da nicht investierst“, konterte ich mutig. „Wenn nur einer deiner Kunden sich zu dir verirrt... der fällt doch rückwärts wieder raus! Und überhaupt: Wir brauchen einen Green Screen, ein echtes Schnitt-Studio, einen schalldichten Raum zum Vertonen... das passt doch gar nicht in deine schimmligen Quadratmeter!“
    J schaute mich nur an und sagte nichts mehr. Seine Kiefer mahlten aufeinander und ich wurde unsicher. Ich meine, es war mein zweiter Tag hier! Aber zum Grübeln blieb wenig Zeit– wir waren nämlich schneller beim Kunden angekommen als erwartet. Der groß angekündigte Firmenchef entpuppte sich als ein Schreiner mit fünf Angestellten, und J sprudelte auf ihn ein, als gäbe es einen Schnellrede-Wettbewerb zu gewinnen. Der Schreiner freute sich über Js Redeschwall so ähnlich wie mein Vater, als ich ihm als Siebenjährige stolz eröffnet hatte, sein Auto mit Akopatz gewaschen zu haben.
    „Sie wird sich um alles kümmern“, rief J und schob mich vor. „Du wirst sehen, du kriegst einen Wahnsinnsfilm für dein Geld!“
    „Na, ich weiß doch noch gar nicht, ob ich überhaupt einen will“, sagte der Schreiner, Herr Kropp, in einer der seltenen Atempause Js und kratzte sich am Kopf. „Du überfällst mich da so einfach... ein Film... wer will sich denn den anschauen? Und wo?“
    Die gleiche Frage stellte ich mir gerade auch. Ich hatte eine mittelgroße Firma erwartet, die für Außendienstmitarbeiter und Kunden den Imagefilm auf die Homepage setzen oder an einem Messestand zeigen konnte, auf YouTube ... oder per mail an bestehende und potenzielle Kunden versandte, der eine professionelle xing und fb-Seite hatte... aber dies? Das war jemand, der seine Auftraggeber persönlich kannte und weiterempfohlen wurde. Mir wurde leicht mulmig und ich musste unwillkürlich daran denken, was meine Eltern sagen würden, wenn sie mich hier sähen, mit High Heels auf Sägespänen, Bierflaschen auf den Hobeltischen und einer Verhandlung im Stehen, die eher einem Vertretergespräch der übelsten Sorte ähnelte.
    „Da kümmert sie sich auch drum“, sagte J und deutete mit dem Daumen auf mich. „Sie macht dir ne Homepage, kostet halt extra, aber das muss es dir wert sein“.
    Der Mann kratzte sich wieder am Kopf. „Ach Johann“, sagte er „Du immer mit deinen spinnerten Ideen... das wird doch nix hier auf dem Land...“
    „Mann Gottes!“ schrie J. „Wo lebst du denn? Das musst du doch endlich mal begreifen, dass alle Welt ins Internet geht, um sich einen passenden Handwerker zu suchen! Und wenn sie dann den Begriff „Schreiner“ eingeben, werden sie alle möglichen Namen finden – nur nicht deinen!“
    „Glaub ich nicht, dass die Leute das machen“, sagte Kropp. „Wir leben hier von Mundpropaganda. War schon immer das Beste... und das Ehrlichste.“
    J sah seine Felle davon schwimmen, drehte sich mit erhobenen Augenbrauen abrupt zu mir um, zog Schultern und Hände nach oben, sein ganzer Körper fragte mich stumm, aber demonstrativ: „Halloho? Will gnä Frau vielleicht auch endlich was Produktives dazu beitragen?“
    „Ähm...“ beeilte ich mich zu sagen, völlig baff von dem gar nicht mehr so charmanten J, der sich hier präsentierte.
    „’Ähm’ ist schon mal gut“, keifte J. „... echt originell, verdammt gut! Ähm.... und weiter?“
    Ich war verletzt, aber zeigte es nicht. Was bildete sich dieser Dösel bloß ein? Nahm mich mit auf einen todsicheren Termin und warf mich dann in das von ihm verseuchte Wasser?
    „Ich denke, Herr Kolb hat mit dem Internet nicht ganz so unrecht“, wagte ich mich vor und blickte dem Schreiner in die Augen. „Die Gegend ist ländlich, ja, aber es ziehen immer mehr Leute hierher und die kennen Sie nicht. Vor allem junge Leute. Und die werden im Internet suchen, das ist einfach so. Wer keinen Internet-Auftritt hat, hat für sie nichts drauf. Genau dann ist es wichtig, einen vertrauenswürdigen Eindruck zu vermitteln.“
    „Sag ich doch“, fiel J ein. „Genau das hab ich gesagt. Schon die ganze Zeit!“
    „Die Leute schauen ins Telefonbuch“, konterte der Schreiner.
    „Das tun sie auch, da haben Sie Recht“, erwiderte ich. „Aber immer weniger... und wenn, dann steht ja da auch die website... und selbst das Telefonbuch gibt es online... wenn Sie die nächste Generation als Kunden haben wollen, müssen Sie sich umstellen, da

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