Tropfen im Ozean
heimischen Betriebes, der mit der Zeit geht. Denn wir alle wissen: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit! Herr Kropp geht nicht nur mit dem Trend, er gestaltet seine Zukunft, indem er die Zeichen der Zeit erkennt und nutzt. Indem er ungewöhnliche Wege geht und sich traut, ein Terrain zu beschreiten, das für viele hier noch neu ist...“
Ich bewunderte ihn noch mehr. Aus dem Stegreif zog er das Publikum auf seine Seite und machte ihnen klar, dass sie die Hinterwäldler waren und ihr Pech, wenn sie den Film nicht verstanden und das Internet sowie andere Medien nicht nutzten. Er war genial!
„...und es ist nicht nur die Premiere eines mutigen Handwerkers, sondern auch die unsere: Heute Abend sehen Sie einen Jean Colbert – Film, eine JC-Produktion und glauben Sie mir... wir sind die geschliffenen Brillanten unter den Rohlingen da draußen – wir sind anders als alle anderen - und wenn Sie diesen Anspruch auch an sich haben, buchen Sie uns... bevor die Warteliste noch länger wird... JC ist das Markenzeichen für individuelle Filme ... und für Ihren Erfolg!“
Meine Hände waren schweißnass. Ich merkte, wie Rob, der wieder neben mir stand, meine Hand in seine nahm und sie fest drückte.
J schaltete den Scheinwerfer aus, der Raum lag vollkommen im Dunkel. Niemand sagte ein Wort. Nach gefühlten 20 Sekunden hörte ich das leise Klicken an der Tastatur des Laptops, in dem die Master-DVD lag.
Vogelgezwitscher. Piano. Zart, sanft. Bäume, ein Waldweg, Sonne auf grünem Laub... Buchstaben, die durch das Blattwerk schwebten und sich zum neuersonnenen Logo verdichteten. Die Töne des Klaviers perlten durch den Raum, führten zu der Werkstatt, wo wir den gut aussehenden Mitarbeiter gefilmt hatten, der hingebungsvoll eine Holzplatte veredelte. Der Mann war verdammt attraktiv und ein Raunen ging durch den Saal. Dann Kropp am Fenster, Gegenlicht, sein markantes Profil, die raue, sexy Stimme des Sprechers als Untermalung, der Sonnenstrahl, der als Lichtkegel durchs Fenster fällt, der Staub, der darin tanzt... Vergrößerung der Staubpartikel, Bildwechsel, Musikwechsel... es wird dynamischer. Männer bei der Arbeit, Muskeln, die sich bewegen, Augen, die konzentriert auf das jeweilige Objekt gerichtet sind, eingefangene, intensive Augenblicke, die Liebe zum Detail verraten, Präzision, Geschmack und Hingabe. Kropps Erklärungen eingeflochten, seine Leidenschaft erzeugt Authentizität. Bildausschnitte mit Tiefenschärfe, schneller Wechsel, langsamer Wechsel – die Bild-Intervalle exakt auf den Takt der Musik angepasst. Es ist eine Natürlichkeit in diesem Film, die mir letzte Nacht völlig entgangen war. Die Männer wirken gelöst, herzlich, verliebt in ihren Job. Das Holz verwandelt sich unter ihren Händen zu etwas Ästhetischem, zu Kunst, und auf jedes Möbelstück haben wir das Logo gesetzt. Das Ende des Filmes ist wieder zart, leicht sehnsüchtig, verklingt wie ein schönes Lied, das man nochmal hören möchte, macht Lust, ein Möbelstück der Schreinerei Kropp zu besitzen. Mit klaren, ausperlenden Pianoklängen raunt der Sprecher seine letzten Worte, das Logo kommt groß auf die Leinwand und wird dort eingefroren. Das Piano schweigt.
Im Raum ist es still.
Haben die Leute nicht kapiert, dass der Film zu Ende ist? Ich schaue mich um. Rob hält noch immer meine Hand. Er stellt sich enger an mich, wie um mich zu schützen, und schlingt seinen Arm um meine Taille. Robs Hand ist warm. Sehe J, der abseits von uns steht, in der Nähe der Bühne, wie er die Lippen aufeinanderpresst, die Leute beobachtet. Was denkt er über den Film?
Und dann brach der Sturm los. Ich weiß bis heute nicht, wie das alles war – eine Flutwelle an Begeisterung schwemmte durch den Saal, die Leute sprangen auf und klatschten wie verrückt. Sie pfiffen durch die Zähne und johlten wie bei einem Konzert. Und sie klatschten und klatschten und klatschten... wie in Zeitlupe sah ich J auf den Tresen zustürzen, sah, wie er eine Flasche Schampus vom Regal riss, sie schüttelte, den Korken knallen ließ, den Daumen auf die Öffnung presste und volle Sahne den Hals Richtung Kropp hielt, der lachend beide Hände hob.
Es war wie ein Rausch, ein unendlich schöner Rausch, von dem mir nur die intensivsten Momente im Gedächtnis blieben. Rob und ich umarmten uns fest, ganz fest, und besiegelten damit unsere Zusammenarbeit auf intime Weise. Erst als ich seine Arme um meinen Körper spürte, sein Schuljungengesicht, das sich an meine Wange
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