Tropfen im Ozean
eingestellt zu werden und nebenbei noch für etliche Agenturen arbeitete.
Wir zogen endlich um und ich bekam eine persönliche Assistentin namens Susann, für die ich unendlich dankbar war, denn sie übernahm alle administrativen Aufgaben, war ein heller Kopf, und erledigte oft mehr, als ich angegeben hatte.
Mit ihrem dunklen, akkurat gescheitelten Haar und der schwarzen Hornbrille im hübschen Gesicht machte sie sich strenger als sie war. Auch, wenn ihr Konsequenz über alles ging, war sie sehr warmherzig und arbeitsmäßig eine echte Bereicherung.
Und schließlich kam Gerda dazu, mehr Hausfrau als Büroangestellte, zwei Kinder, verheiratet mit einem vielbeschäftigten Mann, mit dem sie im Wesentlichen die Wochenenden verbrachte. Das allein war schon der Beweis, dass sie organisieren konnte. Aber am meisten genossen wir ihre mütterliche Art, denn sie brachte selbstgemachte Kuchen und Suppen mit, im Sommer Berge von Obst, die sie in ihrem Gärtchen mit Hingabe selbst züchtete. Sie sah sofort, wenn es einem von uns nicht gut ging oder jemand krank wurde. Dann legte sie ihre kühle Hand auf die jeweilige Stirn und kochte Ingwertee mit Zitrone, der zwar scheußlich schmeckte, aber super half.
Gerda sorgte für Ordnung in unserem Chaos, liebte Robs nicht ganz jugendfreie Witze und das quirlige Leben im Studio.
Wir wuchsen, aber trotzdem blieb die meiste Arbeit an mir hängen.
Ich fing um sieben Uhr morgens an und kam kaum vor zwei, drei Uhr früh aus dem Büro. Aber immer, wenn ich in Js strahlende Augen sah, war das für mich Entschädigung genug. Ich wollte mich beweisen, vor Joe, aber vor allem vor mir selbst, wollte wieder dieses Glücksmoment spüren, das der Applaus des Kropp-Films in mir ausgelöst hatte. Und ich wollte es stärker und vor allem dauerhafter. Nicht nur diese paar Sekunden. Ich wollte unbedingt mehr.
Es lief super. Die ersten Monate waren für mich die reinste Vitaminspritze. Das Leben packte mich mit einer Rasanz, die ich nicht für möglich gehalten hatte. Joe fuhr an Aufträgen rein, was er konnte, und machte keinen Unterschied zwischen groß und klein, weil er der Meinung war, eine kleine Produktion koste auch weniger Zeit – was nicht immer der Fall war.
Hochzeiten, Firmenjubiläen – auch hier wollten wir ein Markenzeichen setzen und J verkaufte jedem Kunden, dass er einen ganz besonderen Film bekommen würde – einen Jean-Colbert-Film, für den er noch irgendwann sehr dankbar sein würde. Und es war Robs und mein Markenzeichen, tatsächlich aus jedem kleinen Pipifax-Auftrag etwas Besonderes zu machen.
Wir sprachen mit den Kunden über ihre Vorstellungen, griffen wenn nötig in die Gestaltung der Feier ein und zauberten aus einem einfachen Hochzeitsfilm eine aufwändige Kreation. Brautleute und Gäste wurden so vorteilhaft in Szene gesetzt wie nur möglich, wir studierten vorher, mit welcher Aufnahmetechnik wir die Menschen von ihrer schönsten Seite zeigen konnten, arbeiteten mit perfekt geschnittenem Ton und geschmackvoll ausgewählten Musikstücken, so dass selbst J beim Anschauen der oft sich gleichenden, langweiligen Hochzeiten glänzende Augen bekam.
Eine Hochzeit kostete uns in der Anfangszeit Tage an Vorbereitung, dann den Tag selbst und nochmal eine Woche danach. Wir agierten dabei als halbe Hochzeitsplaner. Das war null profitabel und wir wussten das. Doch die ersten Hochzeitskunden waren so überglücklich über das Ergebnis, dass wir uns bald vor Anfragen nicht retten konnten und die Sache eine Eigendynamik gewann, die uns schwindlig machte. Schließlich mussten wir Kunden abwimmeln, weil es einfach nicht zu schaffen war. Unsere ersten Hochzeits-Kunden, die uns weiterempfohlen hatten, riefen an und sagten: „Ihr habt doch auch für uns den Film gemacht... wieso kann mein Bekannter nicht...?“
„Hab ich dir doch gesagt, Jungchen“, hörte ich dann Joe selbstgefällig sagen. „Genau das hab ich dir gesagt: Dass du froh sein wirst, einen JC-Film zu haben. Und du hast einen. Also freu dich drüber. Wir sind übervoll. Wir können keinen mehr nehmen.“
Solche Ansagen schoben Preise wie erneute Anfragen ohne jedes Problem in die Höhe, unsere Klientel begann sich zu ändern. J stand völlig unter Strom vor lauter Begeisterung. Er tanzte auf der Erfolgswelle, war hochmotiviert, pustete mit seinem Charme einfach alle um und fing an, Listen durchzutelefonieren, die er vorher nicht angepackt hatte. Er rief alle größeren Firmen im Umkreis an, fuhr
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