Tropfen im Ozean
schmiegte, wurde mir bewusst, wie angespannt er selbst gewesen war. Dankbar drückte ihn umso fester, hörte, wie die Frau des einen Mitarbeiter mit ihrem Mann schimpfte: „Warum bist du nicht im Bild wie alle anderen? Warst du zu feige?“
„Aber Schatz, du wolltest doch nicht...“
Dann Kropp, der mit reumütigem Blick auf mich zukam, zwei Gläser Sekt in der Hand, zugab, wie er seine Fehde mit J auf meine Kosten hatte bestehen wollen... mich um Entschuldigung bat und J, der von Frauen und Geschäftsleuten umringt, einen Block in der Hand hielt und Aufträge entgegennahm.
Psychedelische Momente, die die Wahrheit meines Vaters erneut in mir verankerten. „Du musst was leisten in dieser Welt, sonst bist du nichts. Du bist sonst nichts.“
Heute war ich wer. Heute war ich diejenige, die verantwortlich war für die schönste Feier, die dieser kleine Ort seit langem spontan gehabt hatte und verantwortlich für den Geschäftsaufschwung von Sebastian Kropp, der allein an diesem Abend zwölf Bestellungen entgegennahm, und dem gelungenen Debüt des Jean-Colbert-Filmstudios.
J packte mich am Arm und raunte mir ins Ohr: „Wir müssen den Film auf YouTube hochladen, kennst du jemanden, der weiß, wie man das mit den Klicks macht? Wir brauchen so schnell wie möglich eine web-Version von dem Teil! Außerdem hab ich hier zig neue Anwärter auf einen Imagefilm! Yippiieehh!!! Es kann losgehen! Leg dich ins Zeug!“
Er riss mich an sich und ich erwartete einen Kuss, so wie an dem Tag, als wir uns kennengelernt hatten, oder im Auto nach unserem ersten Termin. Aber es kam nichts. J ließ mich los, schenkte mir lediglich einen verheißungsvollen Blick und begab sich wieder in die Menge. In die Gesellschaft.
Im Rennen
Nach diesem Event telefonierte J wie ein Wilder und hatte innerhalb von zwei Wochen 25 neue Aufträge kleinerer und größerer Art an Land gezogen.
„Gott, Rob, schau dir das an!“ schnaufte ich und ließ ihn auf die Liste schauen. „Die Leute sind im Umkreis von 100 Kilometern! Hoffentlich hat J keine Zeitangaben gemacht!“
Aber J hatte sie alle auf die Warteliste gesetzt und ihnen genau diese Warteliste verkauft. Ein paar größere Aufträge zogen wir vor, um zu Geld zu kommen, das wir dringend brauchten, denn noch war es ja so, dass Rob und ich alles alleine stemmen mussten - was schier unmöglich war. J hatte noch nicht einmal eine Sekretärin oder jemanden in der Buchhaltung! Ich drängte ihn, jemanden einzustellen und er sagte: „Klar, mach mal!“ und so hatte ich neben der Erledigung der Filmaufträge und anderen Dingen wochenlang Bewerbungsgespräche mit allen Sorten an Personal.
Wir bauten ein flexibles Team an Kameraleuten auf, auf die wir je nach Bedarf zurückgreifen konnten, ohne sie fest anstellen zu müssen, suchten repräsentativere und großzügigere Räumlichkeiten und feilten nebenher an unserem eigenen Logo und an der homepage.
Inzwischen hatte Rob eine Wand mit sechs Monitoren und ein beachtliches Mischpult. Wir hatten drei hochwertige Kameras, go-pros und Handkameras und überzeugten den mit den Zähnen knirschenden Joe, Schienen, Kräne und sonstigen superteuren Schnickschnack zu kaufen.
Ich erarbeitete Konzepte und Strategien und wir rechneten J vor, dass wir unsere Geräte an andere Studios verleihen konnten, da die meisten materiell auf schmaler Spur liefen. Und wenn wir unsere Preise einen Tick günstiger machten als die üblichen Verleihstudios, hätten wir die Kosten bald wieder amortisiert.
Zu Beginn jaulte J jedes Mal auf, wenn wir mit einer Forderung anrückten, aber er hatte eine wunderbare Eigenschaft: Er war nicht geizig, er sah alles als Investition in eine Zukunft, an die er glaubte. Und er glaubte an uns. Er setzte sein vollstes Vertrauen in mich und Rob, das spürten wir und da wir wussten, dass er den Aufbau teilweise finanzierte, waren wir umso mehr entschlossen, sein Vertrauen nicht zu enttäuschen und verdoppelten unsere Anstrengungen, um die Kosten so bald wie möglich wieder einzuspielen.
Von Beginn an waren meine Tage lang und wurden immer länger. Rob und ich waren oft außer Haus. J begann noch mehr Aufträge ins Haus zu schaufeln und wir hatten noch lange nicht alle Kunden von der Premierenliste, wie wir sie nannten, abgearbeitet. Und so kam Bernd dazu, ein weiterer festangestellter Kameramann, den Rob einarbeitete und der zuverlässig gute Arbeit ablieferte. Und Jimmi, unser Gelegenheits-Kameramann, der darauf hoffte, bei uns fest
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