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... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

Titel: ... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor E. Frankl
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Lederjacke. Eine Weile schaut er mir stumm zu. Ich ahne Böses, weil doch die genau kontrollierbare Menge bereits ausgehobener Erde vor mir liegt. Dann fängt er an: »Du Schweinehund! Dich beobacht ich nun schon die ganze Zeit! Dir werd ich das Arbeiten noch beibringen! Und wenn du den Boden mit den Zähnen aufbeißen mußt! Du krepierst hier, dafür sorg ich schon! In zwei Tagen mach ich dich hin! Du hast ja dein Lebtag nicht gearbeitet, das sieht man gleich. Was warst du denn, du Sau? Geschäftsmann? He?« Mir ist schon alles gleich. Seine Drohung, mich in Kürze zugrunde zu richten, muß ich ja ernst nehmen. So richte ich mich auf und sehe ihm fest in die Augen: »Ich war Arzt; Facharzt.« – »Was? Arzt warst du? Ha, den Leuten hast du das Geld herausgelockt, das glaub ich!« – »Herr Arbeitsführer: zufällig habe ich meine Hauptarbeit unentgeltlich geleistet, in Ambulanzen für Arme.« Das war aber zuviel gesagt. Jetzt stürzt er sich auf mich, stößt mich zu Boden und brüllt wie ein Besessener – ich weiß nicht mehr was. Aber ich hatte Glück. Der Capo meiner Arbeitsgruppe war mir sehr verpflichtet. Er hatte mich in sein Herz geschlossen, seitdem ich seine Liebesgeschichten und Ehekonflikte während des stundenlangen Marsches zum Arbeitsplatz mit sichtlichem beruflichem Verständnis angehört und mit einer charakterologischen Diagnose über ihn sowie psychotherapeutischen Ratschlägen einigen Eindruck auf ihn gemacht hatte. Seither war er mir dankbar. Seine Dankbarkeit war für mich schon seit mehreren Tagen von großem Wert gewesen. Sie bestand darin, daß er mir in der ersten Fünferreihe unserer meist aus 280 Leuten bestehenden Kolonne einen Platz unmittelbar neben sich reserviert hielt. Das war für mich von großer Bedeutung. Man muß sich nur vorstellen: Frühmorgens, noch im Finstern, stellen wir uns auf. Jeder zittert davor, zu spät und daher in eine der hinteren Reihen zu stehen zu kommen. Werden für ein anderes, ungünstiges, unbeliebtes »Arbeitskommando« Leute benötigt, dann erscheint – ein gefürchteter Moment – der Lagerälteste und holt die nötige Anzahl von Männern eben meist aus den letzten Reihen heraus. Die müssen dann zu irgendeinem, aus irgendwelchem Grunde besonders gefürchteten, fremden und ungewohnten Arbeitskommando hinausmarschieren. Es kommt aber auch vor, daß der Lagerälteste – um den »Spekulanten« einen Strich durch die Rechnung zu machen – gerade die ersten Fünferreihen »schnappt«. Alles Betteln oder jeder Protest wird mit ein paar wohlgezielten Fußtritten zum Schweigen gebracht, und die Opfer seiner Auswahl werden mit Püffen und Brüllen über den Appellplatz gejagt.
    Solange die Aussprachen meines Capos andauerten, ebenso lange konnte mir so etwas nicht passieren. Ich hatte meinen garantierten reservierten Ehrenplatz neben ihm. Aber noch eines: Wie fast alle Lagerinsassen litt ich um diese Zeit schon an schweren Hungerödemen. Meine Beine waren so geschwollen, dadurch die Haut so prall gespannt, daß ich die Kniegelenke nicht recht beugen konnte; die Schuhe aber mußte ich offen lassen, um mit den geschwollenen Füßen hineinzukommen. Schuhfetzen oder Socken, auch wenn es dergleichen gegeben hätte, wären nicht mehr hineingegangen. So waren die halbnackten Füße immer naß und in den Schuhen immer Schnee. Das hatte natürlich alsbald Erfrierungen, aufgebrochene Frostschäden usw. zur Folge. Buchstäblich jeder einzelne Schritt wurde zu einer kleinen Höllenqual. Außerdem bilden sich beim Marsch über die verschneiten Felder am defekten Schuhwerk Eisstollen. Immer wieder stürzen die Kameraden hin und die nachfolgenden über die gestürzten. Dann stockt der betreffende Teil der Kolonne beim Marsch, die Kolonne reißt auseinander – aber nicht für lange. Denn sofort springt einer der begleitenden Wachtposten herbei und haut mit dem Gewehrkolben auf die Kameraden ein, damit sie nur rasch wieder »aufgehn«. Je weiter vorn in der Kolonne du da marschierst, um so weniger wirken sich die immer wiederkehrenden Störungen auf deine Reihe aus, um so weniger mußt du also immer wieder stehen bleiben, um dann – trotz deiner Schmerzen in den Füßen – im Laufschritt aufzuholen. Wie glücklich mußte ich daher sein, als ehrenvoll berufener Leib-Seelenarzt des Herrn Capo neben ihm selber in der ersten Reihe und daher in ganz gleichmäßigem Tempo marschieren zu dürfen. Zu schweigen von einem zusätzlichen Leistungshonorar: Solange es noch auf den

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