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... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

Titel: ... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor E. Frankl
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Magazinverwalter und »Lagerpolizisten« – sie alle kompensierten das primitive Minderwertigkeitsgefühl; sie fühlten sich im allgemeinen keineswegs deklassiert wie die »Majorität« der gewöhnlichen Häftlinge, sondern nachgerade – arriviert. Ja, sie entwickelten mitunter geradezu einen Cäsarenwahn en miniature. Die seelische Reaktion der grollenden und neidvollen Majorität auf das Verhalten der Minorität machte sich auf verschiedene Weise Luft – gelegentlich auch in boshaften Witzen. Ein solcher Witz erzählt zum Beispiel: Zwei Häftlinge sprechen miteinander, wobei der eine in bezug auf einen dritten – der eben zu den »Arrivierten« gehört – bemerkt: »Den da hab ich noch gekannt, wie er bloß Präsident des größten Bankhauses von... war; jetzt spielt er sich hier auf den Capo hinaus.«
    Wo immer nun diese Majorität der Deklassierten und die Minorität der Arrivierten in einem Konflikt zusammenstoßen – und hierzu gibt es, angefangen von der Essenausgabe, im Lagerleben reichlich Gelegenheit -, kommt die Gereiztheit zum Ausbruch und zum Höhepunkt. Jene Gereiztheit, von deren diversen körperlichen Grundlagen wir vorhin sprachen, potenziert sich sonach durch das Hinzutreten der seelischen Ursachen, der komplexhaften Affektgeladenheit aller Beteiligten. Daß die so entstehende Übersteigerung mit einer gegenseitigen Prügelei der Häftlinge endet, ist dann nicht mehr verwunderlich. Jener Reflex, der vom Zornaffekt zur Entladung in Form des Zuschlagens führt, ist schon angesichts des ständigen Prügelns, dessen der Lagerinsasse immer wieder Zeuge ist, gleichsam gebahnt. Ich habe es selber oft erleben müssen, wie sehr einem »die Hand zuckt« und »auszurutschen« droht, wenn den Hungernden und Übernächtigen der Jähzorn packt. Übernächtig war ich damals schon deshalb, weil wir in unserer Erdhütte, die als Fleckfieberbaracke diente, eine Zeitlang heizen konnten, hierbei aber dafür sorgen mußten, daß das Ofenfeuer nachts nicht ausgehe. Wer von uns noch halbwegs soweit bei Kräften war, mußte sich an einem Nachtdienst beteiligen, der den Ofen bewachen sollte. Wohl gehört es – trotz allem! – zu den idyllischsten Stunden, die ich je erlebt habe, wenn ich mitten in der Nacht, während die andern schliefen oder im Fieber delirierten, vor dem kleinen Ofen der Baracke auf dem Erdboden hingestreckt dalag, während meiner »Schicht«-Stunden die Flamme hütend – und in der Glut der gestohlenen Briketts ein paar gestohlene Erdäpfel bratend... Aber um so übernächtiger und um so müder, apathischer und gereizter fühlte man sich am nächsten Tag. Damals war ich, nicht lange vor unserer Befreiung, als Fleckfieberarzt tätig und mußte außerdem den selber erkrankten Blockältesten vertreten. So war ich für die Reinlichkeit der Baracke – soweit solche Reinlichkeit unter den gegebenen Umständen überhaupt in Frage kam – vor der Lagerverwaltung verantwortlich. Die große Augenauswischerei, zu deren Zwecken die Baracke immer wieder inspiziert wurde, diente viel weniger hygienischen Maßnahmen, als einfach der Quälerei. Mehr Essen oder ein wenig Medikamente hätten gewirkt – aber man kümmerte sich bloß darum, daß im Mittelgang kein Strohhalm lag und die zerfetzten, bedreckten und verlausten Decken der Kranken am Fußende schön in einer Linie ausgerichtet waren. War Inspektion angekündigt, dann mußte ich dafür sorgen, daß dem Lagerführer oder dem Lagerältesten, wenn sie sich duckten, um durch die Eingangstür unserer Erdhütte einen flüchtigen Blick ins Innere zu tun, kein Strohhalm auffiel, daß kein Stäubchen Asche vor dem Ofen lag und dergleichen. Aber was das Schicksal der in diesem Loch hausenden Menschen anlangte, genügte es der Inspektion, daß ich, das Häftlingsbarett vom geschorenen Schädel herabreißend und die Fersen zusammenknallend, forsch und stramm »meldete«: Revierbaracke VI/9 – Belag 52 Fleckfieberkranke, 2 Pfleger, 1 Arzt. Und schon waren die Inspizierenden weg. Bis es aber so weit war, daß sie kamen – und sie kamen gewöhnlich viele Stunden später als angekündigt (oder überhaupt nicht) -, war ich gezwungen, ununterbrochen Decken auszurichten, von den Liegeplätzen herabfallende Strohhalme aufzulesen und – mit den armen Teufeln, die alle Scheinordnung und Scheinreinlichkeit noch im letzten Moment zu »schmeißen« drohten, herumzubrüllen. Denn die Apathie und Abstumpfung, die bei den Fiebernden noch besonders erhöht ist, läßt sie

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