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... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

Titel: ... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor E. Frankl
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diese Suppenschüsseln in letzter Zeit, nachdem schon die desolatesten Zustände im Lager zu herrschen begonnen hatten, nicht nur zur Suppenfassung benützt zu werden pflegten, sondern auch als Waschschüssel und gleichzeitig als Nachtgeschirr. (Es bestand ein ganz streng gehandhabtes Verbot, irgendein Gefäß für die Verrichtung der Notdurft in der Baracke bereitzustellen; dieses Verbot zu umgehen, waren aber all jene einfach gezwungen, die beispielsweise während der Flecktyphusepidemie mit hohem Fieber dalagen und nicht einmal mit fremder Hilfe nachts auf die Latrine geführt werden konnten, da sie hierzu körperlich zu sehr geschwächt waren.) Während ich nun die Mauer mache, schleicht sich mein Kollege in die verlassene Frauenbaracke hinein. Nach einer Weile kommt er freudestrahlend heraus und deutet stolz auf einen Rucksack, den er unter dem Rock verbirgt. Aber er hat noch einen zweiten drin liegen gesehen, und ich soll mir den jetzt herausholen. Jetzt macht er die Mauer, und ich gehe in die Baracke. Während ich die wüsten Haufen durcheinandergeworfenen Zeugs durchsuche und hierbei noch vor dem zweiten Rucksack zu meiner großen Freude und Überraschung ein altes Zahnbürstel finde, bemerke ich plötzlich, mitten unter den sichtlich in Hast und Eile zurückgelassenen Dingen, eine Frauenleiche...
    Nun laufe ich in meine Baracke zurück, um meine ganze Habe zu mir zu stecken: meine Suppenschüssel, ein paar zerfetzte Fäustlinge, die ich von einem verstorbenen Patienten dieser Fleckfieberbaracke »geerbt« habe, und ein paar Dutzend kleine Zettel, auf denen ich, wie schon erwähnt, mit stenographischen Stichworten mein in Auschwitz verlorengegangenes wissenschaftliches Buchmanuskript zu rekonstruieren begonnen habe. Eilig mache ich noch einmal Visite und gehe die rechte und dann die linke Reihe der Patienten, die beiderseitig vom Mittelgang unserer Erdhütte auf faulenden Brettern zusammengedrängt liegen, zum letzten Mal durch. Dabei komme ich zu dem einzigen Landsmann, der schon in fast sterbendem Zustand ist und den trotz allem durchzubringen ich die ganze Zeit den Ehrgeiz hatte. Ich muß natürlich den Fluchtplan auf alle Fälle streng geheimhalten. Trotzdem scheint mein Kamerad etwas zu wittern. (Vielleicht war ich ein wenig nervös.) Jedenfalls fragt er mich mit matter Stimme: »Du haust auch ab?« Ich verneine. Aber ich kann mich von seinem Blick nicht mehr so leicht lösen. Nach der Visite komme ich wieder zu ihm. Und wieder fällt dieser hoffnungslose Blick auf mich – und irgendwie empfinde ich ihn wie einen Vorwurf. Immer mehr vertieft sich in mir jenes ungute Gefühl, das mich sofort überkam, sobald ich mich mit der gemeinsamen Flucht mit meinem Kollegen einverstanden erklärt – und damit mein altes Prinzip durchbrochen hatte, nicht Schicksal zu spielen. Plötzlich laufe ich aus der Baracke hinaus, zu meinem Kollegen ins Krankenrevier hinüber, und melde ihm: ich kann nicht mit. Kaum habe ich ihm dezidiert erklärt, er muß auf mein Mitkommen verzichten, kaum habe ich mich dazu entschlossen, nach wie vor bei den Patienten zu bleiben, ist schlagartig jenes ungute Gefühl aus mir gewichen! Ich weiß nicht, was die nächsten Tage bringen werden; aber innerlich ruhig wie noch nie, mit festem Schritt, gehe ich in meine Fleckfieberbaracke zurück, setze mich auf die Bretter, meinem Kameraden zu Füßen, versuche ihn zu trösten, dann mit den andern Fiebernden zu plaudern und sie zu beruhigen.
    Dann kam der letzte Tag unseres Lagers. Fast alle Insassen waren wegen der herannahenden Front in Massentransporten in andere Lager gebracht worden. Die Bonzen des Lagers, die Capos und die Köche, waren geflüchtet. An diesem Tag hieß es, bis zum Abend müsse das Lager vollständig evakuiert sein, auch von den letzten noch verbliebenen Häftlingen – durchwegs Kranken und wenigen Ärzten bzw. »Pflegern«. Nachts, hieß es weiter, werde das Lager angezündet werden. Am Nachmittag aber waren jene Lastautos, welche die Kranken hätten abholen sollen, noch immer nicht erschienen. Statt dessen wurde plötzlich das Lager strengstens gesperrt und die Stacheldrahtumzäunungen strengstens bewacht, so daß niemand mehr versuchen konnte, an einer schon halb und halb präparierten Stelle »durch den Draht zu gehen«. Jetzt wurde die Situation etwas unheimlich. Anscheinend hatte man die Absicht, das Lager mit den restlichen Häftlingen in Flammen aufgehen zu lassen. Zum zweiten Mal beschlossen wir jetzt, mein Kollege

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