Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

Titel: ... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor E. Frankl
Vom Netzwerk:
er spricht noch immer nicht – aber er verliert das Bewußtsein.
    KANT (lebhaft): Meine Herren, das ist ein Fall für mein Seminar, den muß ich demonstrieren!
    SPINOZA: Welches Seminar?
    KANT: Ich habe die Selbstmörder zugewiesen bekommen. Ich soll ihnen einen Kurs halten – über den Sinn des Daseins.
    SPINOZA: Und was geschieht nachher mit den Selbstmördern – wenn sie den Kurs absolviert haben?
    KANT: Dann werden sie wieder zu Transporten zusammengestellt.
    SPINOZA: Was heißt Transporten?
    KANT: Nun: ins KL. SP. E. – wie sich diese armen Teufel in ihrem Galgenhumor selber auszudrücken belieben.
    SPINOZA: Sie meinen diese Ungeborenen – wieder zu Gebärenden?
    KANT: Ja.
    SPINOZA: Und was meinen die mit Transporten ins KL. SP. E.?
    KANT: Konzentrationslager Sonnenplanet Erde.
    SPINOZA: Wirklich arme Teufel, die nochmals dort hinunter müssen.
    KANT: Sie sollten sehen, wie sie sich zu drücken versuchen, sobald so ein Transport zusammengestellt wird. Nicht einmal der Engel war begeistert von seiner Mission (lacht). Aber was sein muß, muß sein; und was werden muß, muß werden und neu geboren werden.
    SOKRATES: Und was wollen Sie jetzt tun?
    KANT: Ich lasse die Szene aufnehmen und übertragen.
    SPINOZA: Sie wollen sie im Seminar vorführen?
    KANT: Ja – aber ich muß noch warten. Erst muß er wirklich und endgültig die Prüfung bestanden haben.
    SOKRATES: Sehen Sie doch nur hin – er rührt sich nicht mehr.
    SPINOZA: Und der SS-Mann tritt ihn mit den Stiefeln.
    KANT: Wenn der erst erfährt, was er tun mußte, dieser arme Kerl von einem Engel...
    SPINOZA: Der Junge wird es nicht durchstehen – Sie werden sehen, er sagt noch aus, zu guter Letzt. Er wird die Namen preisgeben. Wetten wir, Herr Professor?
    KANT: Ich wette nicht, aber ich behalte recht. Sehen Sie doch nur selber, wie er kämpft – wie er mit sich kämpft – nicht mehr lange aber: der letzte Gang ist da. Sehen Sie – ist der Junge nicht prächtig? Hart im Nehmen, pflegen die Boxer zu sagen.
    SOKRATES (aufschreiend): Da – - (leise) jetzt ist es aus. Der Junge ist tot.
    KANT (triumphierend): Bestanden, Baruch!
    SPINOZA: Sie haben wirklich recht behalten. Ein Fall für Sie.
    KANT (geschäftig): Ich brauche ihn dringend. Mir geht das Material ohnedies schon aus im Seminar. Niemand glaubt mir mehr, daß der Mensch stärker sein kann als die Natur, seine eigene Natur inbegriffen. Man nennt mich allgemein einen Idealisten, ja sogar den Begründer des Idealismus. Ich bin Realist, meine Herren, glauben Sie mir – Sie haben es eben gesehen.
    SOKRATES: Wir sind schließlich alle einer Meinung. Wären es nur auch die Menschen!
    SPINOZA: Hielte sich nur jeder selbst für gut – er würde es dann auch werden. Aber man erwartet sich nichts von einem – weder von den andern noch von sich. Und so fordert man auch nichts von sich selbst.
     
    SCHWARZER ENGEL (von rechts): Jetzt bin ich fertig. So etwas! (Jammernd) Mir muß das passieren!
    SPINOZA (naiv): Wo ist der SS-Mann geblieben?
    ENGEL: Wen meinen Sie?
    SOKRATES (ungeduldig, entschuldigend): Er meint Ihre irdische Hülle.
    KANT: Der lebt sein Leben weiter, Baruch – in der irdischen Zeit muß er noch bis an sein Ende existieren; bis an den Tag, an dem ihn sein gerechtes Schicksal ereilt – am Tage der Sühne...
    ENGEL: Ich muß ja auch gleich wieder gehen – in ihn gehen. Ich wollte Sie nur fragen: Was sagen Sie dazu? Allerhand von einem Jungen, was? (Ab nach rechts.)
    KANT: Wirklich allerhand.
    SOKRATES: Da ist er ja.
    SPINOZA: Der Tote?
    KANT: Freilich.
    MUTTER: Karli!
    KARL: Mutter! (Umarmung.)
     
    MUTTER: Komm zum Franzl. (Stellen sich zu ihm.)
    FRANZ (zu Paul): Er kommt nicht wieder, wirst sehen.
    PAUL: Fast glaub ich’s selber schon.
    FRANZ: Vielleicht bin ich jetzt schon ganz allein auf der Welt...
    MUTTER: Wir sind doch bei dir, Franzerl.
    KARL: Jetzt sind wir beide bei dir, Franzl.
    FRANZ: Weiß der Himmel...
    PAUL: Und der Hunger noch dazu.
    FRANZ: Komm, ich hab ein Stückchen Salz da (greift in die Tasche) - lutsch daran!
    PAUL: Dank dir. Aber der Durst dann?
    FRANZ: Durst – Hunger, Hunger – Durst: wenigstens ist für Abwechslung gesorgt, nicht?
    PAUL: Du hast recht – gib her (lutscht). Ein Prachtkerl, dein Bruder. Er geht mir nicht aus dem Kopf.
    FRANZ: Und gerade er – warum denn nur er? Warum wieder der Falsche – Herrgott, du weißt es, daß ich der Schlechtere bin!
    PAUL: Red keinen Blödsinn zusammen – du bist einer unserer Besten, der beste Kamerad, den ich hier

Weitere Kostenlose Bücher