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... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition)

Titel: ... trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor E. Frankl
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hab.
    FRANZ: Du weißt nicht alles von mir – du kennst mich zu wenig.
    PAUL: Also schön – du bist ein Mörder?
    FRANZ: Auch das – du wirst lachen!
    PAUL: Das Unglück läßt dich überschnappen, mir scheint’s?
    FRANZ: Hast du den Felix gekannt, drüben im Lager Buchenau?
    PAUL: Ja – und?
    FRANZ: Kennst du den Mantel, den ich anhabe?
    PAUL: Mir scheint, es ist seiner?
    FRANZ: Jawohl: Ich hab ihm den Mantel abgekauft – für eine Brotration.
    PAUL: Den hätte man ihm ja ohnehin weggenommen – er ist doch ins Krankenlager gegangen?
    FRANZ: Wahrscheinlich hätte man ihm den Mantel weggenommen, und die Schuhe. Aber was ist hier schon sicher? Vielleicht hätte er ihn zufällig behalten dürfen – und dann hätte er ihm das Leben gerettet, vielleicht...
    PAUL: Glaub mir, der Transport damals ging ins Gas. Lauter Muselmänner darunter – keiner war mehr arbeitsfähig.
    FRANZ (hartnäckig): Jedenfalls hab ich seinen Hunger ausgenützt – und das abgesparte, aufgehobene Stück Brot auch; und wenn der Transport nicht ins Gas ging, und wenn der Felix sich erholt hätte, dann wäre er erfroren – mein Mantel war ja ganz dünn, ohne Futter.
    PAUL: Wenn... Wenn... Wenn das Wörtchen Wenn nicht wär, wär ich ein Millionär... Und du bist ein Mörder, genauso wie ich ein Millionär bin.
    FRANZ: SO darf man nicht sprechen. Und so darf man nicht handeln, wie ich es getan hab, denn nicht der Erfolg entscheidet...
    KANT: Irgendwie hat er natürlich recht.
    SPINOZA: Ich hätte es auch nicht getan, was er getan hat.
    SOKRATES: Was wollen Sie? Er sieht es wenigstens ein.
    SPINOZA: Zu spät.
    KANT: Er wird es auch sicher nicht wiedertun.
     
    PAUL: Niemand von uns ist ein Engel.
    FRANZ: Aber wir haben uns immer zu entscheiden, immer aufs neue, in jedem Augenblick. Denn es ist auch niemand von uns von vornherein ein Teufel – auch niemand von der SS, glaub mir.
    PAUL: Jetzt verblödest du aber ganz. Der Hund, der deinen Bruder jetzt vielleicht auf dem Gewissen hat, auch der soll etwa kein Teufel sein?
    FRANZ: Nein, vielleicht nicht...
     
    SPINOZA: Er ist nahe daran – wetten wir, er errät es noch – er durchschaut unser Spiel!
    KANT: Den Engel durchschaut niemand.
    SOKRATES: Als ich unten schon längst fertig war, hat mir einmal ein alter Jude von einem alten jüdischen Mythos erzählt: Der Bestand der Welt ist abhängig davon, daß immer sechsunddreißig vollkommen gerechte Menschen auf Erden leben. Aber niemand kann wissen, wer ein solcher Gerechter ist. Merkt man es aber, und erfährt man es, dann wird der betreffende Gerechte augenblicklich abberufen und verschwindet sofort.
    SPINOZA: Ich kenn ihn, diesen Mythos.
    KANT: Was wollen Sie: was immer wir sagen, wir haben unsere Vorgänger.
    SOKRATES: Hätten wir sie nicht, es spräche gegen uns!
    ERNST (war inzwischen vor und hinter der Baracke, kommt jetzt herein; mit Galgenhumor): Meine Form! Seit einer halben Stunde steh ich draußen und versuch mit allen möglichen Tricks eine Kartoffel hinter dem Stacheldraht hervorzuangeln; endlich habe ich sie erwischt – wem darf ich sie offerieren?
    PAUL: Gib her, blöder Hund! Der Franzl verhungert mir ohnedies schon unter den Händen.
    ERNST (mit komischer Geste): Mahlzeit! Es ist ein Stein gewesen. Stopf dem Mörder deines Bruders damit das Maul, Franz!
    PAUL: Laß ihn in Ruh, sag ich dir!
    FRANZ (nachdenklich): In Ruh... Der Karl hat wohl schon seine Ruh – ich noch nicht, noch lange nicht. – Ich werde sie auch nicht finden, bevor...
    PAUL: Dummkopf – laß dir lieber deine blöden Gedanken ausreden.
    FRANZ: Was weißt denn du? Ich bin Dreck, nichts als Dreck. PAUL: Du hast dich für deine Leute genug geopfert – ich weiß, ich hab’s gehört.
    FRANZ: Ich wollte... o ja, ich wollte. Ich wollte verschiedenes. Einmal, ja; da hab ich geträumt – von den Häftlingen in den Lagern, und daß mich jemand, irgend etwas, fragt, ob ich nicht hinwill, freiwillig, um ihnen zu helfen. Und, weiß Gott, ich hab noch nie in meinem Leben so viel Glück empfunden, wie damals im Traum, als ich »ja« sagte. Und hinging, hinter die kilometerlangen Stacheldrähte, und mit den Häftlingen beisammen war, in den Lagern – so wie dieses eines ist. Und Monate später, als ich wirklich dorthin kam, als ich dort war – hier war – da versagte ich! Ich bin ein elender Schwächling, nicht um ein Jota besser als die andern, die Capos, die SS.
    PAUL: Wer könnte sagen, er ist besser? Wer kann sagen, er sei schlechter?
    FRANZ: Schau: meine

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