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Trucks. Erzählungen

Trucks. Erzählungen

Titel: Trucks. Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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nickte. Er war um fünfzig Jahre gealtert.
    »Nein!« kreischte das Mädchen. Sie warf sich mir in die Arme. »Sie müssen sie stoppen!
    Sie müssen sie verprügeln, verbrennen, kaputtmachen -« Ihre Stimme versagte. Sie konnte nur noch ihren Kummer hinausschreien.
    Der Schwarze hielt sie fest. Ich ging um den Tresen herum, stieg über die Trümmer hinweg und verließ das Restaurant durch den Hinterausgang.
    Die Lastwagen standen einer hinter dem anderen. Jenseits der Kiesauffahrt war der Wäscherei wagen stehengeblieben. Er knurrte wie ein bösartiger Hund. Eine falsche Bewegung, und er hätte mich umgemäht Die Sonne ließ seine leere Windschutzscheibe aufblitzen, und ich hatte nackte Angst. Ich blickte in das Gesicht eines Idioten.
    Ich stellte die Pumpe an und nahm die Zapfpistole vom Haken. Dann öffnete ich den ersten Tankverschluß und ließ den Treibstoff einlaufen.
    Nach einer halben Stunde hatte ich den ersten Tank leergepumpt und ging zur nächsten Zapfstelle. Ich pumpte abwechselnd Benzin und Dieselöl. Die Reihe der Lastwagen nahm kein Ende. Und langsam dämmerte es mir. Überall im ganzen Land taten Leute dasselbe wie ich, wenn sie nicht tot im Dreck lagen, Reifenspuren auf den zerquetschten Leibern.
    Der zweite Tank war leer, und ich ging zur dritten Zapfstelle. Die Sonne brannte vom Himmel, und ich hatte Kopfschmerzen vom Benzindunst. Im weichen Gewebe zwischen Daumen und Zeigefinger sprangen Blasen auf. Aber das konnten sie nicht wissen. Sie kannten nur undichte Ölfilter, schadhafte Dichtungen und defekte Kardangelenke. Sie kannten keine Blasen und keinen Sonnenstich und nicht das menschliche Bedürfnis, laut zu schreien. Sie brauchten nur eins über ihre früheren Herren zu wissen, und sie wußten es. Wir bluten.
    Der letzte Tank war leer, und ich ließ den Schlauch fallen. Immer mehr Wagen fuhren vor. Ich drehte den Kopf, um die Starre im Genick zu lösen. Sie fuhren über den Parkplatz auf die Straße hinaus, zwei oder drei nebeneinander. Es war die alptraumhafte Vision des Los Angeles Freeway zur Hauptverkehrszeit. Ihre heißen Auspuffgase ließen den Horizont flimmern. Die Luft stank nach verbranntem Treibstoff.
    »Tür mir leid«, sagte ich. »Alles leer, Jungs.«
    In diesem Augenblick hörte ich ein dumpferes Dröhnen, das den Boden erzittern ließ. Ein riesiges silberglänzendes Fahrzeug fuhr heran. Ein Tankwagen. An der Seite las ich:
    »Tanken Sie Phillips 66 - den Jetport-Treibstoff«!
    Hinten wurde ein schwerer Schlauch ausgefahren.
    Ich rannte hin, nahm den Schlauch und öffnete den Tankdeckel. Ich führte den Schlauch ein, und der Wagen fing an zu pumpen. Der Gestank brachte mich fast um - genau diesen Gestank müssen die Dinosaurier gerochen haben, als sie sterbend in den Teergruben versanken. Ich füllte die beiden anderen Tanks und machte mich wieder an die Arbeit.
    Ich vergaß Zeit und Raum. Ich vergaß die Lastwagen. Ich drehte Tankverschlüsse auf und ließ den Treibstoff einlaufen. Dann schraubte ich die Tanks wieder zu, einen nach dem anderen. Die Blasen an meinen Händen platzten auf, und Eiter lief mir über die Handgelenke. Mein Kopf schmerzte wie ein fauler Zahn, und von dem Benzingestank drehte sich mir der Magen um.
    Ich fürchtete, die Besinnung zu verlieren, und das wäre das Ende. Ich würde bis zum Umfallen pumpen.
    Dann legten sich Hände auf meine Schulter, die dunklen Hände des Mannes vom Tresen.
    »Gehen Sie rein«, sagte er. »Ruhen Sie sich aus. Ich mache weiter, bis es dunkel wird.
    Versuchen Sie, ein wenig zu schlafen.«
    Ich reichte ihm den Schlauch.
    Aber ich kann nicht schlafen.
    Das Mädchen schläft. Sie hockt in der Ecke, und ihr Kopf liegt auf dem Tischtuch. Selbst im Schlaf hat sich ihr Gesicht nicht entkrampft. Ein zeitloses Gesicht, dessen Alter man nicht bestimmen kann. Ich werde sie bald wecken. Der Schwarze ist schon seit fünf Stunden draußen.
    Sie kommen immer noch. Ich schaue durch das zertrümmerte Fenster und sehe ihre Scheinwerfer über eine Meile weit. Wie gelbe Saphire leuchten sie in der zunehmenden Dunkelheit. Die Wagen stauen sich bis zur Interstate, vielleicht sogar noch weiter.
    Bald ist das Mädchen an der Reihe. Ich werde es ihr zeigen. Sie wird sagen, daß sie es nicht kann, aber sie wird es tun.
    Sie will leben.
    Wollen Sie sich zu ihrem Sklaven machen? hatte der Schwarze gesagt. Wollen Sie den Rest Ihres Lebens damit verbringen, Ölfilter zu wechseln, wenn eins dieser Dinger hupt?
    Wir könnten vielleicht weglaufen. Wir

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