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Trübe Wasser sind kalt

Trübe Wasser sind kalt

Titel: Trübe Wasser sind kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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seine Geduld strapazieren, »dieses Gelände untersteht einem Zivilunternehmen und gehört deshalb nicht der Navy. Aber wir haben ein naheliegendes Interesse, weil offenbar jemand unbefugt bei unseren Schiffen getaucht ist.«
    »Haben Sie eine Vermutung, warum jemand das getan haben könnte?« Ich blickte mich um.
    »Ein Paar Schatzjäger meinen, sie würden im Wasser hier Kanonenkugeln, alte Schiffsglocken und was weiß ich noch alles finden.«
    Wir standen zwischen dem Frachter El Paso und dem U-Boot Exploiter, beide glanzlos und starr im Fluß. Das Wasser sah wie Cappuccino aus, und mir wurde klar, daß die Sicht noch schlechter sein würde, als ich befürchtet hatte. Neben dem U-Boot war eine Tauchplattform. Aber ich sah nichts, was auf das Opfer hindeutete, keine Rettungs-oder Polizeitrupps, die diesen Todesfall bearbeiten sollten. Ich fragte Green danach, während der vom Wasser wehende Wind mir das Gesicht taub werden ließ, und statt einer Antwort bekam ich wieder den Rücken zugedreht. »Hör mal, ich kann nicht den ganzen Tag auf Stu warten«, sagte er zu einem Mann in einem Overall und einer schmutzigen Skijacke.
    »Wir könnten Bo herpfeifen, Captain«, lautete die Antwort. »Zwecklos, José«, sagte Green, der diese Werftarbeiter gut zu kennen schien. »Bringt nichts, den Kerl herzurufen.«
    »Zum Teufel«, sagte ein Mann mit einem langen, krausen Bart. »Wir wissen doch alle, daß er so spät am Vormittag nicht mehr nüchtern ist.«
    »Also, wenn da nicht ein Esel den anderen Langohr schimpft«, ließ sich Green vernehmen, und alle lachten. Der bärtige Mann hatte ein Gesicht wie rohes Hackfleisch. Er beäugte mich verstohlen, derweil er sich eine Zigarette anzündete, mit seinen groben, bloßen Händen den Wind abhaltend. »Ich hab seit gestern nichts mehr getrunken. Nicht mal Wasser«, schwor er, worauf seine Kumpel wieder lachten. »Verdammt, hier ist es lausig kalt.« Er schlang die Arme um den Körper. »Ich hätte 'nen dickeren Mantel anziehen sollen.«
    »Ich sag dir mal, was hier kalt ist: der da unten«, meinte ein anderer Arbeiter, mit klappernden Zähnen. Er sprach von dem toten Taucher. »Der Kerl ist echt kalt.«
    »Der spürt nichts mehr.«
    Ich zügelte meinen aufsteigenden Unmut, als ich zu Green sagte: »Ich weiß, Sie sind scharf darauf anzufangen, und ich bin es genauso. Aber ich sehe keine Rettungsmannschaften oder Polizisten. Ich habe auch noch nicht das Boot oder den Flußabschnitt gesehen, wo die Leiche sein soll.«
    Ich spürte ein halbes Dutzend Augenpaare auf mich gerichtet und musterte die gegerbten Gesichter dieser Männer, die leicht als Piraten in modernem Gewand hätten durchgehen können. Ich war nicht in ihren Geheimbund aufgenommen und fühlte mich an die frühen Jahre erinnert, als Grobheit und Mißachtung mir noch Tränen in die Augen getrieben hatten. Green antwortete endlich. »Die Polizisten sind drinnen an den Telefonen. Im Hauptgebäude dort drüben, mit dem großen Anker darauf. Die Taucher sind wahrscheinlich auch da drinnen und halten sich warm. Das Rettungsteam ist auf einem Anlegeplatz auf der anderen Flußseite und wartet dort auf Ihre Ankunft. Und es dürfte Sie interessieren, daß an diesem Anleger die Polizei gerade einen Lkw mit Anhänger gefunden hat, der, glauben sie, dem Verstorbenen gehörte. Wenn Sie mir folgen wollen. Ich zeige Ihnen die Stelle, die Sie interessiert. Soviel ich weiß, haben Sie vor, mit den anderen Tauchern nach unten zu gehen.«
    »Das stimmt.« Ich schritt neben ihm die Pier entlang. »Mir ist völlig unklar, was Sie sich davon erwarten.«
    »Ich habe schon lange gelernt, keine Erwartungen zu haben, Captain Green.«
    Als wir an den alten, müden Schiffen vorbeikamen, fielen mir die vielen dünnen Drähte auf, die davon ins Wasser führten. »Was ist das?« fragte ich.
    »KDs -Kathodendrähte«, antwortete er. »Sie sind elektrisch geladen, um die Korrosion zu bremsen.«
    »Ich hoffe doch, daß jemand sie ausgeschaltet hat.«
    »Ein Elektriker ist schon unterwegs. Er wird die ganze Pier abschalten.«
    »Da könnte der Taucher also an die KDs geraten sein. Ich bezweifle, daß sie gut zu sehen waren.«
    »Das hätte keine Rolle gespielt. Die Spannung ist sehr gering«, sagte er, als wüßte das jeder. »Das ist so wie ein Schlag von einer Neun-Volt-Batterie. Die KDs haben ihn nicht getötet. Das können Sie schon mal von Ihrer Liste streichen.« Wir standen am Ende des Kais, wo das Heck des teilweise unter Wasser liegenden U-Boots

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