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Trümmermörder

Trümmermörder

Titel: Trümmermörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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ist ein elfgeschossiger Backsteinkoloss aus den zwanziger Jahren, braunrote Steine mit weißen Fenstern, modern, schnörkellos. Früher residierte hier eine Versicherung, nach dem Krieg zog die Kripo ein. Die meisten Beamten haben für den Klotz nicht viel übrig, wenn sie es auch schätzen, dass er fast unbeschädigt ist. Dicht schließende Fenster sind selten in Hamburg. Stave jedoch mag das Hochhaus, weil es das genaue Gegenteil der wulstigen, neobarocken, verspielten Konzerthalle ist, die am Platz gegenüber aufragt – so als wolle die Kripo der frivolen Leichtigkeit der Kunst die Strenge und Korrektheit der Polizei entgegensetzen.
    Mit einem knappen Gruß verabschiedet sich Stave von Ruge und steigt aus dem Mercedes. Zehn wuchtige, eckige Pfeiler tragen eine Art Vorhalle des Hochhauses. Blau, weiß und gelb lasierte Kacheln in der Decke formen bunte Muster, versteckte Farbkleckse in einer grauen Stadt. Auch Wappen und allegorische Keramikfiguren schmücken die Halle, dazu ein drei Meter hoher Bronzeelefant, den selbst die Materialbeschaffer der Nazis im Weltkrieg nicht einzuschmelzen wagten und den die Krimsches »Anton« nennen. Über dem Haupteingang trägt eine junge Frau eine in Gold, Braun, Blau und Weiß leuchtende Kogge. »Seemannsbraut« nennen manche Beamte diese Figur oder, wenn sie schlecht gelaunt sind, »Hafenhure«.
    Stave hat keine Ahnung, was die Figur ursprünglich symbolisieren sollte. Er tritt durch die zweiflügelige Tür zur Kripo-Zentrale, die so hoch ist, dass ein Segelschiff hindurchgleiten könnte. Dann hinkt er die Treppen hoch, auf denen unzählige kleine Fliesen braun-rot-weißschwarze Linienmuster formen. Jedes Mal muss er an eine riesige Schlangenhaut denken, wenn er darauf tritt.
    Endlich ist er da, sechster Stock, Zimmer 602.
    Im Vorzimmer, halb verborgen hinter einer riesigen schwarzen Schreibmaschine, sitzt Erna Berg auf einem Stuhl, der aussieht, als würde er jeden Moment kollabieren. Stave grüßt seine Sekretärin und ringt sich dabei ein Lächeln ab. Keinen Grund, schlechte Laune zu verbreiten, nur weil er heute Morgen eine nackte Tote gesehen hat. Er mag Erna Berg. Blond, fröhliche, blaue Augen, immer optimistisch, etwas mollig. Weiß der Himmel, wie sie trotz der Hungerrationen auf Lebensmittelkarten so viel Fleisch auf den Rippen behält.
    Sie ist voller Energie, obwohl sie Kriegerwitwe ist: Hat 1939 noch schnell einen zur Front ziehenden Soldaten geheiratet, der Sohn kam ein Jahr später. Der Mann gilt seit 1945 als vermisst, heimkehrende Kameraden haben ihr erzählt, dass er gefallen sei. Bestätigt ist das aber nicht, also gibt es keine Witwenrente. Stave weiß, dass sie sich und ihren Sohn nicht nur mit dem kargen Gehalt als Sekretärin bei der Kripo durchbringt, sondern auch hin und wieder Schwarzmarktgeschäfte macht. Er drückt dabei ein Auge zu.
    »Sie sollen zum Chef«, ruft sie und zwinkert. »Hab von der Toten gehört«, setzt sie leiser hinzu.
    »Das spricht sich ja schnell herum«, brummt Stave. »Legen Sie schon einmal eine neue Akte an. ›Unbekannte Tote, Baustraße.‹ Den Bericht schreibe ich später. Und beantragen Sie eine Leichenöffnung bei der Staatsanwaltschaft. Doktor Czrisini weiß Bescheid.«
    Seine Sekretärin verdreht die Augen. »Den müssen Sie mir buchstabieren«, stöhnt sie. »Diesen Namen werde ich mir niemals merken.«
    Stave schreibt den Namen des Pathologen auf ein Blatt Papier, sucht auf dem winzigen Schreibtisch vergebens nach einer freien Stelle und heftet den Zettel schließlich an die Wand hinter Bergs Schreibtisch. »Ich bin beim Chef«, sagt er und schließt die Tür hinter sich.
    Ein paar Augenblicke später steht er im Büro des Leiters der Hamburger Kriminalpolizei. Cuddel Breuer ist mittelgroß, hat ein rundes Gesicht, gelichtetes Haar, einen gemütlichen Blick. Man könnte ihn für den freundlichen, biederen Schalterbeamten einer Postfiliale in der Provinz halten. Und viele Polizisten ebenso wie Verbrecher tun dies auch – bei der ersten Begegnung.
    Breuers Augen sind flink, seine Schultern viel zu breit für einen bloß gemütlichen Menschen. Stave bewundert seinen Chef, doch er ist auch auf der Hut.
    »Setzen Sie sich, Stave«, sagt Breuer und deutet auf einen hölzernen Besucherstuhl. Beide haben noch ihre Wintermäntel an, die Temperatur im Büro liegt bei zehn Grad, höchstens.
    »Kaffee?«, fragt der Kripochef. »Bloß Ersatzzeug, aber immerhin heiß.«
    Stave nickt dankbar und wärmt seine Hände an der

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