TS 02: 220 Tage im Weltraumschiff
der Expedition beginnt morgen früh mit der Untersuchung durch die Ärztekommission. Wir müssen jeden Tag nutzen, um Sie auf den Flug vorzubereiten.«
Damit war meine erste Unterredung mit Kamow beendet.
Es war schon gegen Mitternacht, als ich nach Hause kam. Diese Nacht schlief ich sehr schlecht. Erst gegen Morgen schlummerte ich ein; aber nicht einmal im Schlaf verließ mich der Gedanke, daß sich alle meine Hoffnungen zerschlagen konnten.
Meine Befürchtungen erwiesen sich jedoch als unbegründet. Die aus drei Ärzten bestehende Kommission, der ein namhafter Professor vorstand, klopfte, horchte und maß lange an mir herum. Man prüfte meine Augen und mein Gehör, drehte mich auf einem karussellähnlichen Gestell und ließ mich in einer Hängevorrichtung sogar ein paar Minuten mit dem Kopf nach unten baumeln, um darauf abermals endlos lange an mir herumzuhorchen. Zum Schluß klopfte mir der alte Professor auf die Schulter und sprach Worte, die mir wie Musik in den Ohren klangen: »Ein idealer Organismus! Junger Mann, Sie können sogar zum Polarstern fliegen, wenn es Ihnen einmal auf unserer Erde zu langweilig geworden ist.«
Nach der Untersuchung fuhr ich geradeswegs zu Kamow, um von ihm die ersten Anweisungen entgegenzunehmen. Er freute sich, als er hörte, daß alles gut abgegangen war.
»Es hätte mir leid getan, Sie zu verlieren«, sagte er. »Ich bin froh, daß das nicht der Fall ist. – Machen Sie sich bekannt«, fügte er hinzu und führte mich zu einem hochgewachsenen, hageren Mann, der am Schreibtisch saß. »Das ist Konstantin JewgenjewitschBelopolski, mein Gehilfe während der Fahrt,«
Als Kamow mich vorstellte – er erwähnte dabei, daß ich an dem bevorstehenden Flug teilnehme –, drückte Belopolski mir die Hand, tat dies aber, wie mir schien, völlig gleichgültig. Nicht einmal der Anflug eines Lächelns zeigte sich auf seinem Gesicht, das, obwohl er erst fünfundvierzig Jahre zählte, von tiefen Furchen durchzogen war.
Ich weiß noch, daß mich diese schweigsame Begrüßung unangenehm berührte, und ich dachte sogar, daß es kein besonderes Vergnügen sein müßte, auf einer langen Reise einen solchen Gefährten zu haben. Heute weiß ich, daß dieser Mann an und für sich sehr wortkarg ist und nur über Astronomie und Mathematik längere Zeit sprechen kann. Ganz anders begrüßte mich der vierte Expeditionsteilnehmer, Arsen GeorgijewitschPaitschadse, den ich zwei Tage darauf kennenlernte.
Noch jung, nicht älter als fünfunddreißig Jahre, genoß er schon weit und breit den Ruf eines ausgezeichneten Kenners der Spektralanalyse.
»Boris NikolajewitschMelnikow?« fragte er und drückte mir die Hand mit solcher Kraft, daß ich vor Schmerz das Gesicht verzog.
Paitschadses ganze Erscheinung – seine kleine, schmächtige Gestalt, sein gebräuntes Gesicht mit dem kurzgeschnittenen Schnurrbärtchen über der Oberlippe und seine freundlichen Augen – flößte mir ein solches Zutrauen ein, als kannte ich ihn schon seit Jahren.
Er bat mich, ihm meinen Lebenslauf zu erzählen, berichtete dann von sich selbst, und wir schieden als Freunde. In den zwei Monaten, die seitdem vergangen sind, habe ich mich davon überzeugt, daß Paitschadse ein entgegenkommender, mitteilsamer Mensch ist, der mir ein guter Reisegefährte sein wird. Auf unserem Schiff soll ich die Kajüte mit ihm teilen, und darüber freue ich mich sehr.
Unter angestrengter Arbeit war der Starttag unmerklich herangerückt. Das Schiff und seine Besatzung waren bereit. Drei Tage vor dem Abflug besichtigten wir es zum letzten Male. Alle Geräte und Apparate wurden überprüft, die Ladung kontrolliert. Während Kamow und Belopolski das Schiff inspizierten, kontrollierte Paitschadse die astronomischen Geräte, und ich sah nach meiner Foto- und Filmapparatur. Mir stehen drei Filmapparate zur Verfügung, ein tragbarer und zwei, die in die Schiffswände eingebaut sind und selbsttätig funktionieren können, dazu noch vier ausgezeichnete Kameras, jede mit sechs auswechselbaren Objektiven, und ein kleines Fotolabor.
Kamows Expedition ist überhaupt auf großzügige Weise ausgerüstet. Jede Eventualität ist einbezogen, nichts ist vergessen, nichts außer acht gelassen. Jedes Detail ist sorgfältig bedacht und ausgeführt.
Die nächste Eintragung in mein Tagebuch werde ich bereits während der Fahrt vornehmen.
Für heute ist’s genug … Zehn Minuten nach zwölf …
Um sieben Uhr früh werde ich mit dem Wagen abgeholt.
Meine letzte Nacht
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