TS 02: 220 Tage im Weltraumschiff
also auf der Erde!
Morgen starten wir ins Unbekannte!
Der Abflug
Zweiunddreißig Stunden unterwegs …
Der erste Tag ist vergangen. Ich stelle das nach der Uhr fest. Einen Wechsel von Tag und Nacht gibt es in unserem Schiff nicht und wird es auch nicht geben. Ununterbrochen beleuchtet die Sonne die rechte Bordwand, und das Schiff dreht sich in bestimmten Abständen um seine Längsachse, damit sich seine gesamte Außenfläche gleichmäßig erwärme.
Die Motoren haben längst ihre Arbeit eingestellt, wir fliegen nach dem Trägheitsgesetz weiter, mit einer Geschwindigkeit von achtundzwanzigeinhalb Kilometern in der Sekunde. Wir merken das nicht.
Das Schiff schwebt in einem endlosen Raum.
Dieses Bild, das ich mir auf der Erde so grauenvoll vorgestellt hatte, ist hier gar nicht furchterregend. Wir haben überhaupt nicht das Empfinden, über einem Abgrund zu schweben, weil rings um uns die gleicheLeere ist und die Begriffe »oben« und »unten« sich schon längst verwischt haben. Sobald die Motoren aussetzten und das Schiff, seinem Beharrungsvermögen folgend, mit konstanter Geschwindigkeit weiterflog, schwand die Schwere, und mit ihr schwanden die üblichen Vorstellungen. Gewohnheitsgemäß gilt für mich noch alles, was unter meinen Füßen ist, als »unten«, und was über meinem Kopf ist, als »oben«; aber ich brauche mich nur um hundertachtzig Grad zu drehen, damit das, was eben noch oben war, nach unten rücke und umgekehrt. Dazu bedarf es eines ganz geringen Kraftaufwandes, wenn man als Anhaltspunkt einen fest angebrachten Gegenstand oder einfach die Wand benutzt.
Ich wiege nichts! Der Zustand der Schwerelosigkeit, an den ich vor dem Flug so oft und nicht ohne Bangen gedacht habe, ist in Wirklichkeit überhaupt nicht schlimm; im Gegenteil, er ist angenehm. Gleich am ersten Tag habe ich mich daran gewöhnt.
Augenblicklich halte ich mich am Tisch auf und schreibe.
Unsere Kajüte ist nicht groß. Eine Wand ist halbrund und hat ein rundes Fenster. Wenn das Fenster nicht gebraucht wird, ist es von außen mit einer dicken Stahlplatte abgedichtet. Die Rückwand ist gerade und reicht von einer Bordwand zur andern. In ihr befindet sich die »Tür«, eine runde Öffnung mit einem Durchmesser von einem Meter. Wenn ich die Kajüte verlassen will, stoße ich midi irgendwo leicht ab und gleite durch die Tür hindurch wie ein Fisch. Die beiden Seitenwände stellen regelmäßige Halbkreise dar und haben keine Öffnungen. An die eine ist der Tisch festgeschraubt, an dem ich jetzt mitten in der Luft »sitze«.
Außer dem Tisch befindet sich in der Kabine ein Schrank, in dem wir neben Instrumenten und Geräten auch unsere Privatsachen halten. Er ist aus Aluminium und nimmt die ganze dem Tisch gegenüberliegende Wand ein.
Betten gibt es in der Kajüte nicht. Zu beiden Seiten des Fensters hängen zwei Netze mit Metallschnallen. In die Netze legen wir uns schlafen. Das geht so vor sich: Wir stoßen uns irgendwo ab, gleiten durch die Luft auf unsere Netze zu, kriechen hinein und schließen die Schnallen. Der schwerelose Körper übt keinerlei Druck aus, man schläft in jeder Lage wie auf Daunen. Das Netz verhindert, daß der Körper während des Schlafens in der Kajüte herumgeistert. Wir dürfen nämlich nicht vergessen, daß in unserer schwerelosen Welt ab und zu eine kaum merkliche Schwerkraft entsteht, und zwar dann, wenn sich das Schiff um seine Längsachse dreht. So gering diese Kraft auch ist, genügt sie doch, um einen ganz woanders aufwachen zu lassen, als wo man sich »hingelegt« hat. Genauer gesagt, ist das keine Schwerkraft, sondern eine Auswirkung der Fliehkraft. Während der Drehung beginnt alles, was nicht niet- und nagelfest ist, zu wandern.
Dieselbe Kraft erzeugt auch das Trugbild, das wir vom Fenster aus genießen können. Im Augenblick der Drehung entsteht der Eindruck, daß sich das ganze Weltall in Bewegung setzt und langsam um das Schiff kreist. Ein unbeschreibliches Schauspiel!
Eine wichtige Einzelheit muß ich noch erwähnen. Die runde Tür ist stets durch einen Deckel hermetisch abgeschlossen. Wenn wir uns von einem Raum in den andern begeben, sind wir verpflichtet, alle Türen hinter uns zu schließen; dazu braucht man nur auf einen Knopf zu drücken. Diese Maßnahme hat ihren Grund. Der Weltraum ist nicht leer. In ihm bewegen sich zahllose Materieteilchen aller Größen, vom Staubkorn bis zu großen Massen. Nach Kamows Ansicht ist ein Zusammenstoß mit derartigen wandernden Körpern kaum
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