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TS 18: Der strahlende Phönix

TS 18: Der strahlende Phönix

Titel: TS 18: Der strahlende Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harold Mead
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worden.“
    „Sie ist noch zu jung“, sagte ich, nahm meine Sachen und ging in die nächste Kabine. Die Frau hatte mich wütend gemacht. Ich war froh, daß der nächste auch ein Doktor und nicht der Psychiater war. Er fand alles in Ordnung, setzte seine Unterschrift unter unser Formular, während ich mich anzog. Dann mußte ich zum Psychiater.
    Glücklicherweise war er nicht eifrig. Er wollte eine Zigarette und etwas zu trinken. Der Name Waterville sagte ihm nichts, und er fertigte mich schneller ab, als ich zu hoffen wagte. Ich ging hinaus in das Büro, wo Jenny auf mich wartete. Ein Mann hinter einem Schreibpult besah sich unser Formular mit der Unterschrift, übergab uns ein Buch mit Bestimmungen und schrieb dann unsere Lizenz aus, die uns ein Beisammensein für vierzehn Tage erlaubte.
    Es gab ganz in der Nähe einen öffentlichen Park, und wir gingen hin und strolchten ziellos umher. Die einzigen Besucher dieses Parks waren Scharen von Kinder aus den Staatskinderhorten. Sie waren entweder Sprößlinge von aufgerufenen Frauen und besonders ausgewählten Männern – oder sie waren aus Verbindungen hervorgegangen, die eine ,B’-Lizenz hatten und mehr oder weniger fest zusammenlebten – immer wieder alle sechs Monate ihre Lizenz erneuernd. In beiden Fällen kannten sich Kinder und Eltern nie. Gleich nach der Geburt wurden die Kinder von den Staatskinderhorten übernommen.
    Wir standen da und beobachteten die Kleinen. Es war ein warmer Tag, und sie waren nackt und braungebrannt. Einige turnten, andere schwammen in einem Bassin, und alle folgten mit größtem Ernst den Anweisungen der Lehrer. Sie hatten keine Zeit zu verlieren, denn es war ein weiter Weg bis zur Erreichung der Vollkommenheit unter dem Menschengeist.
    „Wir wollen weitergehen“, sagte Jenny.
    Wir gingen am Fluß entlang und setzten uns auf eine Bank. Die Hauptarbeitszeit war vorüber, und allmählich füllten sich Straßen und Plätze wieder mit Menschen.
    Jenny sagte mit leiser Stimme: „Ich muß in einer Stunde wieder meinen Dienst antreten.“
    „Ich weiß. Jenny“, sagte ich, „ich hätte dich nicht bitten sollen, dich mit mir einzulassen. Ich bin moralisch krank. Das kommt mir immer mehr zum Bewußtsein. Kannst du es sehen?“
    Sie schaute in mein Gesicht. „Vielleicht.“
    „Werden sie es bemerken?“
    „Ich glaube nicht, wenn du vorsichtig bist. Ist es das, was dich so ungeduldig macht?“
    „Bin ich ungeduldig? Ich bin ärgerlich um deinetwillen. Ich weiß nicht, warum.“
    Sie lächelte. „Du bist mit mir spazierengegangen, und ich bin so müde geworden, daß ich weinen könnte. Ich weiß nicht, wie ich heute abend meinen Dienst versehen soll. Du siehst, ich bin auch ärgerlich, um deinetwillen. Was ist das nur?“
    „Ich weiß nicht.“
    Sie blickte mich wieder an. „In deinem Gesicht ist etwas, das ich noch nie gesehen habe, und dennoch glaube ich, es schon immer gekannt zu haben. Was war dort drüben auf der Insel?“
    „Nichts“, antwortete ich. „Wildnis – das Heulen eines Fuchses in der Abenddämmerung – Vogelsingen in einem öden Land. Und Ruinen. Sie sind trostlos und schrecklich. Und doch ist etwas in mir, das sich nach der Vergangenheit sehnt. Wie kann man sich aber nur nach der Vergangenheit sehnen, die Schrecken und Gewalt in sich trägt?“
    „Vielleicht bin ich auch krank“, sagte sie und nahm meine Hand. Es war das erste Mal, daß wir uns berührten, aber ich bemerkte es in diesem Augenblick kaum.
    Sie riß mich aus meinen Gedanken. „Wann werden wir uns morgen sehen? Ich muß jetzt gehen. Um Mitternacht habe ich wieder frei.“
    „Komme danach.“
    „Zu dir?
    „Nein, hierher.“
    Sie nickte und ging davon.

 
III
     
    Ich hatte genügend Zeit bis zum Wiedersehen mit Jenny. Ich entschloß mich daher, die abendlichen Weihestunden im Schrein zu besuchen. Das riesige Kuppelgebäude war voller Menschen. Nach dem Singen der Staatshymne und der Litanei lauschten die Versammelten wie hypnotisiert einer eindringlichen Stimme. Ich hörte die Worte, doch sie rauschten vorbei. Sie vermochten mir keinen Trost zu geben – wie früher. Erst, als die Stimme etwas von den Kolonisten erwähnte, war ich wieder bei der Sache.
    Die Weihestunde hatte mich völlig erschöpft. Meine einzige Hoffnung und mein Trost war Jenny, auf die ich am verabredeten Platz wartete.
    Jenny kam den Pfad am Fluß entlang. Ich erhob mich von der Bank, um ihr entgegenzugehen. Wir schlugen nun zusammen den Weg zur Herberge ein. Keiner von

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