TS 18: Der strahlende Phönix
„Ruhig! Ganz ruhig!“
Kurz darauf hörten wir Stimmen, nicht weit weg – ich weiß nicht, was sie sagten. Sie entfernten sich. Jenny lag dort im Schnee, ihr Körper sank tief hinein. Ich legte meinen Umhang unter ihren Kopf. Mein linker Arm war voller Blut, und als ich ihre Brust berührte, wurden meine Finger naß und klebrig. Ich wußte nicht, was ich tat oder sagte, aber ich küßte sie. Bessy schluchzte neben mir, aber ich schenkte ihr keine Aufmerksamkeit, bis ich merkte, daß sie ihren Arm um meine Schultern gelegt hatte und mein Haar streichelte. Jenny war tot, und ich war allein.
Ich nahm Jenny in meine Arme und stand auf. Wir mußten weiter, es gab keine Zeit zu verschwenden.
„Wir wollen weitergehen“, sagte ich, „alle vier! Wir werden zusammen weitergehen.“
XXI
Die Erinnerung an diese Flucht kommt mir nur in zusammenhanglosen Bildern.
Wie wir sie überstanden, weiß ich nicht. Es muß nur Instinkt gewesen sein, eine höhere Kraft, die mich veranlaßte, die Gruppe durch den schrecklichen Schneesturm in die richtige Richtung zu führen.
Wie lange wir Rast machten, wie wir die Nächte verbrachten, all das weiß ich nicht, und George oder Bessy können es mir auch kaum erzählen. Keiner von uns kann wirklich sagen, wie lange unsere Wanderung durch den Schneesturm dauerte. Ich kann nur vermuten und denke, daß es ungefähr sechs Tage gewesen sein müssen.
Als wir auf eine Gruppe von Hughs Leuten stießen, brachen Bessy und George zusammen. Ich kann mich nur sehr vage an dieses Zusammentreffen besinnen. Immer wieder rieb ich mir den Schnee aus meinen Augen, um auch wirklich die mit Pelz bekleideten Männer, die in der weiten, weißen Ebene vor uns auftauchten, zu sehen. Hugh erzählte mir später, daß ich trotz allem noch eine zusammenhängende Geschichte herausbrachte und eine klar gehaltene Warnung über die Absichten der Kolonisten gab, bevor auch ich endgültig zusammenbrach.
Mein Erinnerungsvermögen setzt in der Zeit wieder ein, als ich in Hughs Haus kam. Ich lag in Hughs Bett, bedeckt mit einer Decke von Hasenfellen. Der Schneefall hatte aufgehört. Durch das Fenster drang Sonnenschein, und ich konnte die Zweige eines Baumes sehen – wunderbar unter der schweren Schneelast.
Es war ein Feuer in dem Raum, und Hugh und Sarah saßen nicht weit entfernt auf Stühlen. Anne sah ich zuerst nicht, weil sie am Kopfende meines Bettes stand, aber ich hob meine Augen, als sie sprach. „Er ist erwacht“, sagt« sie zu den anderen.
Hugh und seine Frau standen auf und kamen zu mir. Hugh sah müde aus, und sein rechter Arm steckte in einer Schlinge.
„Wo sind George und Bessy?“ fragte ich Hugh. Es war seltsam, meine eigene Stimme wieder zu hören, noch schwach, aber wieder normal.
„Es geht ihnen schon besser, sie werden bald gesund sein. Sie müssen ungeheuer kräftig sein.“ Er betrachtete mich. „Und du, mein Freund, mußt auch stark sein, nach dem, was du geleistet hast.“
„Ich hatte ein Ziel. Ich mußte euch warnen. Die Kolonisten –“ Ich setzte mich plötzlich auf. „Hugh, du mußt handeln. Sie sind böse und korrupt und stecken voller Gewalttätigkeit. Entweder eure Zivilisation oder ihre, und die eure muß siegen!“
Ich wurde aufgeregter. „Hugh! Was tust du hier? Sie haben Waffen – Gewehre – ihr habt keine. Du erkennst nicht –.“
„Es ist an Ordnung“, sagte er. „Es ist beendet. Ich wünsche fast, es wäre nicht so.“ Hugh hob seinen verbundenen Arm, dann ließ er ihn wieder fallen. „Aber es ist jetzt alles vorbei.“
„Was geschah? Erzähle mir!“
Hugh stand auf und ging durch den Raum. Dann kam er zurück.
„Harold, mein Bruder, ist tot“, sagte er, „und viele mit ihm. Harald starb im Kampf, und er würde sich nie einen anderen Tod gewünscht haben. Er war eine Kämpfernatur, und doch war er sanft, wenn es darauf ankam. Mein ganzes Volk trauert. Kannst du hören, wie still das Dorf ist? Nein, unterbrich mich nicht; was du sagen willst, ist nicht wahr. Der Fehler liegt nicht bei dir. Der Fehler ist bei uns allen.“ Da hielt er inne, um bald darauf wieder ruhig fortzufahren. „Wir beobachteten euch. Wir waren also wahrscheinlich nicht völlig überrascht worden, aber deine Warnung kam zur rechten Zeit und hat uns gerettet. Der Kolonistenvormarsch wurde durch den Schnee verzögert, und das gab uns Zeit. Und diese närrische Überheblichkeit und das Vertrauen, das sie in ihre Waffen setzen –“ er lächelte grimmig. „Harold und meine
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