TS 18: Der strahlende Phönix
nicht kannte. Ein Ausdruck von Neugierde zeichnete sich auf dem sonst stupiden Gesicht des Beamten ab.
„So, Sie sind also Waterville. Wohl gerade zurückgekommen?“
„Ja.“
„Wie war’s da drüben?“
„Trostlos“, antwortete ich, „und einsam.“ Im übrigen legte ich keinen Wert darauf, mich mit diesem Kerl über meine Insel zu unterhalten.
„Ich habe gehört, daß man auch ein paar Freiwillige nehmen wird. Es war bei der letzten Ansprache des Präsidenten davon die Rede. Ich würde gern mitkommen.“
Der Mann wurde höflich, jetzt, wo seine Neugier erwachte.
„Was?“ fragte ich. „Und all dieses hier“ – ich wies dabei auf die fast leere Straße, auf die weißen Fassaden der Gebäude, auf eine Gruppe von Arbeitern, die zu ihren Arbeitsplätzen eilten – „verlassen und eintauschen gegen eine Wildnis und Ruinen?“ Ich dachte einen Augenblick nach, ob der Mann es wirklich ernst gemeint hatte, ich schaute ihn wieder an. Sein Gesicht zeigte nichts als Neugier.
„Wann werden die Kolonisten ausgeschickt werden?“ fragte er.
„Sie brauchen mich nach solchen Dingen nicht zu fragen“, sagte ich steif. „Sie wissen doch selbst, daß alle Einzelheiten streng geheimgehalten werden!“
Der andere Beamte brummte hinter mir. „Komm weiter, Sam. Interessiere dich nicht für solche Sachen, du hast deine Arbeit.“
„Nun“, sagte der erste, „genießen Sie Ihren freien Tag.“ Dann drehte er sich zu Jenny. „Wann werden Sie Ihre Meinung über das, was ich Sie fragte, ändern?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nie.“
„Sie werden bald vom Gesundheitsministerium aufgerufen werden.“
„Noch nicht. Ich bin noch zu jung.“
„Los, komm weiter!“ murrte der andere. „Es gibt Hunderte von der Sorte, wenn du eine haben willst!“
„Das mag schon sein“, sagte der erste. Dann gab er Jenny einen Stoß in die Rippen und zog ab.
Als wir uns weit genug von ihnen entfernt hatten, holte ich Jenny ein und ging an ihrer Seite.
„Ich danke Ihnen“, sagte ich.
Sie schaute mich mit ihren dunklen Augen an. „Keine Ursache. Dieser eine Bursche belästigt mich immer. Er ist nicht gerade schlecht, aber ich mag Moralbeamte nun einmal nicht. Ich fürchte mich vor ihnen.“
„Sie sind nicht die einzige.“
Nach einer Weile fragte sie, den Blick auf den Boden geheftet: „Wie ist es wirklich da drüben?“
„Wie ich schon sagte. Trostlos. Wild, wie es sich keiner vorstellen kann. Und Ruinen – sie sind schrecklich!“
„Ist es wahr, was der Beamte über die Freiwilligen sagte?“
„Ich denke, ja. Ich glaube aber kaum, daß sich welche melden werden. Alle Kolonisten werden besonders konditioniert – wer wird schon unseren Staat verlassen wollen?“
Sie schaute mich an. Ich fühlte mich mehr und mehr zu ihr hingezogen. Die Moralpolizei hatte verschiedene Arten von Zivilinspektoren – Spitzel –, ich wußte das. Jeder wußte es. Aber es war so etwas wie Ehrlichkeit an ihr. Und außerdem fehlte ihr die richtige Begeisterung, die jeder gesunde Bürger in sich trug.
Sie blieb vor der Tür eines großen Schlafgebäudes stehen. „Hier wohne ich“, sagte sie. „Ich wünschte, ich hätte es näher zu meinem Arbeitsplatz.“ Sie sah ein wenig mitleiderregend aus, als sie so allein in dem großen Torbogen stand – die weite Eingangshalle hinter sich.
„Möchten Sie jetzt nicht ein wenig schlafen?“
Sie schaute auf die leeren Gänge. Nur eine Frau fegte den Vorraum, wie eine Maschine, mit völlig ausdruckslosem Gesicht. Diese Art von Arbeit wird von den ,Rekonditionierten’ getan. Alle, die einen moralischen Fehltritt begangen haben, enden so. Man kann sie noch als Menschen erkennen, das ist aber auch alles.
„Ich weiß nicht“, sagte Jenny.
„Ich glaube, daß ich für einige Zeit hierbleiben werde“, stieß ich hervor. „Ich weiß nicht einmal, ob sie beabsichtigen, mich auf eine weitere Expedition zu schicken. Möchten Sie eine ,A’-Lizenz mit mir eingehen?“
Sie schien peinlich berührt und errötete. Das war ungewöhnlich. Im allgemeinen gefiel den Frauen diese Frage. Vielleicht konnten sie zusammen mit ihrem Partner eine ,B’-Lizenz erwerben, wodurch sie dem Aufruf des Gesundheitsministeriums entgingen.
„Ich – ich weiß nicht“, sagte sie. Sie wirkte schön, als sie errötete.
„Nun, es tut mir leid. Vielleicht treffen wir uns wieder einmal.“
Ich ging davon.
Ich hatte die nächste Straßenecke erreicht, als ich hörte, wie sie hinter mir herlief.
„Es tut mir
Weitere Kostenlose Bücher