TS 18: Der strahlende Phönix
leid“, sagte sie, ein wenig außer Atem. „Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich gehe mit Ihnen, wenn Sie mich noch wollen.“
„In Ordnung“, antwortete ich. „Wenn Sie aber nicht mögen, so macht es mir auch nichts aus.“
„Bitte!“ Sie legte ihre Hand auf meinen Arm. „Gehen Sie nicht so schnell. Ich brauchte nur Zeit zum Überlegen. Ich hatte niemals erwartet, daß Sie mich das fragen würden.“
„Nun, ich denke, man hat Sie schon öfter danach gefragt, oder etwa nicht?“ Meine Stimme klang rauh.
„Ja, natürlich.“ Sie blieb stehen und stampfte ärgerlich mit dem Fuß. Der Zorn stand ihr gut. Sie hatte schöne dunkle Augen, die kein glasiger Schleier der Begeisterung trübte. Sie sah intelligent aus und ziemlich verloren – und sie war äußerst wütend auf mich. „Natürlich!“ wiederholte sie. „Und wenn Sie es wissen wollen, habe ich immer abgelehnt. Und auch Sie haben nicht die geringste Veranlassung zu erwarten, daß ich Sie sofort akzeptiere.“
„Nun“, sagte ich, „das ist vollkommen richtig.“
„Und ich renne hinter Ihnen her wie ein Narr, und Sie benehmen sich wie ein – ein –“
„Biest.“
„Nein – ein Schwein!“ Sie überlegte einen Augenblick, dann fügte sie hinzu, „ein schwarzes – mit Borsten!“
Dann lachten wir beide.
In der nächsten Straße befand sich eine Zweigstelle des Gesundheitsbüros, und wir schritten darauf zu. Keiner sagte etwas. Dort stand eine lange Menschenschlange. Während wir warteten, sagte sie leise: „Ich glaube, ich hätte früher oder später irgend jemand annehmen müssen, oder ich wäre aufgerufen worden. Und in Ihrem Gesicht ist etwas, was ich noch bei keinem anderen entdeckt habe.“
,Und in Ihrem auch’, dachte ich, aber ich sagte nichts.
II
Das Zweigbüro des Gesundheitsministeriums war dunkel und staubig. Es gab einen langen Schalter, der in Abteilungen eingeteilt war –,A’-Lizenzen, ,B’-Lizenzen, Lizenzannullierungen. Außerdem gab es einen separaten Schalter, an dem die Aufrufe registriert wurden. An einem Ende des Raumes stand an einer Tür die Aufschrift ‚Warteraum, medizinische Untersuchungen’. Wir betraten das Büro während der Vormittagspause, und einige Arbeiter und ein oder zwei junge Beamte von den Bürogebäuden auf der anderen Seite der Straße hatten die Gelegenheit wahrgenommen, sich Lizenzen zu verschaffen. Ich war froh über die lange Menschenschlange am Schalter. Wären Jenny und ich die einzigen Bewerber gewesen, so hätten die Lizenzbeamten und Doktoren zu viel Zeit für uns verwendet.
Die meisten Leute, die vor uns in der Schlange standen, mußten wieder an ihre Arbeitsplätze zurück und deshalb ihre medizinische Untersuchung auf später verschieben. Als wir an die Reihe kamen und das Formular ausgefüllt und unterschrieben hatten, sagte ich zu dem Beamten: „Wir können auf unsere medizinische Untersuchung warten, wir haben beide heute dienstfrei.“
Der Beamte schaute auf die Uhr und zog die Brauen zusammen. „Durch die Tür da!“ Er drückte einen Gummistempel auf unser Formular. „Der Nächste, bitte“, rief er, und wir hatten die erste Stufe hinter uns.
Im Warteraum saßen noch drei andere Paare. Sie waren nicht mehr jung, und anscheinend alle ,B’-Lizenzerneuerer. Ich hoffte, sie würden nur auf ihre gewöhnliche Halbjahresgenehmigung warten, denn ich wußte, daß, wenn einer von ihnen Erstbewerber war, Jenny und ich Stunden hier zu warten hätten, während die Doktoren und Psychiater sie gründlichst untersuchten. Wir hatten Glück. Die Stühle waren hart und der Raum rauchig. Keiner von uns beiden sagte ein Wort. In Abständen steckte eine Frau im weißen Dienstkittel den Kopf zur Tür heraus und rief: „Der Nächste!“
Jenny ging vor mir hinein und nahm unser Formular mit. Ich hörte noch, wie die Frau sagte: „Ganz ausziehen!“ bevor die Tür geschlossen wurde.
Als ich aufgerufen wurde, befahl mir die Frau, meine Kleider abzulegen, dann horchte sie mich mit einem Stethoskop ab. „Sind Sie der letzte?“ fragte sie.
„Ja.“
„Dank dem Menschengeist dafür! – Tief Atem holen!“ Sie hatte ein dünnes Gesicht und jene enthusiastischen Augen. „Sie sind stark wie ein Traktor“, bemerkte sie, „und hart. Ich wünschte, es gäbe mehr Männer in solch einer Verfassung. Das Mädchen ist auch in Ordnung. Warum bemühen Sie sich nicht um eine ,B’-Lizenz, wenn Sie sich gern haben, und helfen damit dem Staat? Das Mädchen wäre ohnehin bald aufgerufen
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