TS 21: Die Überlebenden
nur Hunde, Katzen, Ratten und Mäuse tötet, für den Menschen jedoch unschädlich bleibt. Wären es nicht gerade vier verschiedene Sorten von Paggets, sähen wir eine Chance. Abgesehen davon besitzen die Biester gerade genügend Intelligenz, um vergiftete Köder sofort herauszufinden. Und selbst dann, wenn jeder Mensch täglich ein Pagget tötet, so genügt das noch lange nicht.“
„Warum nicht?“ zweifelte Ginette.
„Ein einfaches Rechenexempel“, erklärte ich ruhig. „Nehmen wir Frankreich. Man kann die Zahl der hier vorhandenen Paggets auf etwa einhundert Millionen schätzen. Das wären 250 pro Quadratkilometer …“
„Soviel sind es auf keinen Fall!“
„Nicht? Nun, und wenn schon, so werden es bald soviel sein. Die Ratten schaffen einen Wurf im Monat.“
Sie schauderte, sagte aber nichts.
„Es werden bald 2500 Paggets pro Quadratkilometer sein“, führ ich erbarmungslos fort.
Ungläubig und erschrocken starrte sie mich an.
„Und dann 25 000 – oder mehr! Und später .“
„Hören Sie auf! Das ist ja grauenhaft! Wir dürfen nicht zusehen, wie …“
Ich zuckte die Achseln. Ginette war keine Mathematikerin, das merkte ich sofort. Sie konnte sich keine Vorstellung davon machen, was geschehen würde, wenn wir den Paggets keinen Einhalt boten. Nur einer einzigen Tatsache war es überhaupt zu verdanken, daß die Zahl der Paggets nicht schon heute den von mir prophezeiten Höchststand erreicht hatte, der Tatsache nämlich, daß sie sich untereinander bekämpften und töteten.
„Da ist noch etwas, was die Paggets tun, und wir haben es bisher vergessen zu erwähnen“, stellte ich ungerührt fest.
„Was ist das?“ fragte sie, ein wenig ärgerlich, denn es paßte ihr scheinbar nicht, daß ich von diesen Dingen sprach, vor denen sie am liebsten Augen und Ohren verschlossen hätte.
„Lernen!“ klärte ich sie auf.
„Lernen?“
„Alles, was wir bisher einkalkulierten, bezieht sich auf die Paggets, wie sie heute sind. Ich bin jedoch davon überzeugt, – daß sie nicht so bleiben werden, ja, ich bin sogar sicher!“
„Kann es nicht sein, daß die Paggets gewissermaßen den Höchststand ihrer Intelligenz bereits erreicht haben?“ fragte sie.
„Nun, ein Junge von 16 Jahren besitzt genau den Intelligenzquotienten, den er mit 80 Jahren auch noch hat. Aber er besitzt genauso die Fähigkeit, zu lernen – und er lernt im Verlauf der verbleibenden 64 Jahre allerhand dazu. Die gemachten Erfahrungen und sein Erinnerungsvermögen lassen ihn erst klug werden – und den Paggets geht es kaum anders.“
„Aber deren Lebensspanne ist doch viel kürzer. Bis sie gelernt haben, sterben sie schon wieder.“
„Machen Sie nicht den Fehler, Ginette, die Paggets als einzelne Individuen anzusehen. Denken Sie nur an die menschliche Geschichte. Feuer wurde von einem einzelnen Menschen entdeckt, ebenso das Rad. Aber einmal entdeckt …“
„Sie meinen also, die Paggets lernen in der gleichen Art und Weise wie der Mensch?“
„Warum sollten sie das nicht?“
Sie dachte einen Augenblick nach.
„Können die Paggets untereinander ihr Wissen austauschen?“ spielte sie dann ihren Trumpf aus. „Ist ihnen das möglich?“
„Natürlich können sie das, auch wenn sie einer Sprache unfähig bleiben. Sie demonstrieren ihr Wissen einfach, mehr nicht. Die anderen machen es nach. Ich habe es selbst erlebt.“
Ginette schwieg, und es entstand eine kurze Pause. Endlich sah sie mich von der Seite her an und meinte scharf:
„Wie kommt es, daß Sie soviel über die Paggets wissen?“
„Ich bin Amerikaner“, meinte ich vielsagend.
„Das sehe ich!“ bemerkte sie scharf. „Oder meinen Sie, ich hätte Sie für einen Hindu gehalten?“
„Lange bevor die Gefährlichkeit der Paggets erkannt wurde, wußte ich alles über sie.“
Jetzt schien sie interessierter.
„Wie war es? Was geschah? Wann begann es?“
Ich sah hinaus auf die anrollenden Wellen und erzählte:
„Eigentlich mehr ein Zufall, entdeckte eines Tages ein Wissenschaftler, eine Mischung zwischen Psychologe, Biologe und Radiologe namens Paget, einen Prozeß – nun, das wenden Sie wissen. Niemals hatte dieser Paget beabsichtigt, Tieren Intelligenz zu geben, aber die wenigsten Erfindungen kommen ja beabsichtigt zustande. Paget testete mit Effekten gewisser Vibrationen und Radiationen auf den tierischen Organismus. Nicht einmal mit der Absicht, die Auswirkungen auf das Gehirn zu untersuchen, das kam erst später, als sich die ersten Erfolge
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