TS 27: Verpflichtet für das Niemandsland
siehst ebenfalls großartig aus, Jase“, log Temple. Er hatte seinen Bruder seit fünf Jahren nicht gesehen und hatte nicht geglaubt, ihn überhaupt je wieder zu sehen. Aber er erinnerte sich an einen lächelnden Mann mit vollem Gesicht, der etwas größer als er selbst war und auch breiter in den Schultern. Der Jason, den er jetzt sah, wirkte wie ein 45- oder 50jähriger, war jedoch kaum älter als 30. Er hatte düster blickende Augen, eingefallene Wangen und sein Haar begann bereits zu ergrauen. Er schien ein Bündel rastloser, nervöser Energie zu sein.
„Setz’ dich, Kit, beginne zu erzählen. Erzähle mir alles. Alles! Erzähle mir vom blauen Himmel und dem Mond am Nachthimmel und wie der Ozean an einem windigen Tag aussieht …“
„Fünf Jahre“, sagte Temple. „Fünf Jahre.“
„Fünftausend meinst du“, erinnerte ihn Jason. „Es scheint kaum möglich. Wie geht es denn zu Hause, Kit?“
„Der Mutter geht es gut, auch Vater. Er fährt einen neuen Chambers Sportwagen. Du solltest ihn sehen, Jase. Großartig!“
„Und Ann?“ Jason sah ihn hoffnungsvoll an. Ann war Jasons Mädchen gewesen. Wenn die Reise ins Niemandsland nicht gewesen wäre, hätten sie geheiratet.
„Ann ist verheiratet“, antwortete Temple.
„Das ist ja großartig, Kit, wirklich großartig. Ich meine, was zum Kuckuck soll ein Mädchen auch immer warten. Ich habe ihr ja sowieso gesagt, sie solle heiraten.“
„Sie hat vier Jahre gewartet und dann einen jungen Mann kennengelernt und …“
„Ist es ein netter Bursche?“
„Der Beste“, antwortete Temple. „Er würde dir bestimmt gefallen.“
Temple sah den leisen Schmerz, der in Jasons düster brennenden Augen aufstieg. Dann war er wieder daraus verschwunden. Ein TeilJasons wünschte, daß sie über eine unvorstellbare Zeit- und Raumlücke hinweg die seine bliebe, während der andere Teil ihr ein schönes und erfülltes Leben wünschte.
„Ich bin froh“, sagte Jason. „Man kann ja nicht von einem Mädchen verlangen, daß sie ohne jede Hoffnung wartet …“
„Es gibt also keine Hoffnung? Wir werden nie zurückkehren?“
Jason lachte heiser. „Sage du mir, wie. Die Erde ist nicht nur 60 000 Lichtjahre entfernt, Kit. Weißt du überhaupt, wie weit ein Lichtjahr ist?“
Temple sagte, er glaube es zu wissen.
„60 000 Lichtjahre. Ein Dutzend Ewigkeiten. Und die Erde, die wir kennen, ist auch tot. Tot seit fünftausend Jahren. Unsere Familie, Center City, Ann, ihr Mann – alle Staub. Fünftausend Jahre alt … Verstehst du, Kit!“
„Gewiß, gewiß, ich verstehe.“ Aber Temple verstand nicht, wenigstens nicht richtig. Man konnte doch nicht einfach fünftausend Jahre nehmen und sie in einen Zeitraum pressen, der nur einen Herzschlag lang zu dauern schien, und dann zu der Erkenntnis kommen, daß sie auf immer und ewig vergangen waren. Nicht ein Zeitraum, der so lang war wie die ganze überlieferte Geschichte der Menschheit. Irgendwie waren die fünftausend Jahre schwerer zu begreifen als die 60 000 Lichtjahre.
„Hier“, sagte Jason plötzlich und zog eine Schachtel Zigaretten aus der Tasche. Temple nahm dankbar eine Zigarette, die erste seit langer Zeit. Seit fünfzig Jahrhunderten, dachte er bitter.
„Well“, sagte Jason. „Ich benehme mich wie ein grüner Junge. Wie eigensüchtig bin ich doch geworden. Es muß doch eine Unmenge geben, was dir auf dem Herzen liegt, Kit.“
„Das stimmt. Man hat mir erzählt, daß ich indoktriniert würde.“
„Normalerweise wäre das der Fall. Aber es ist jetzt kein Transport eingetroffen. Erst in drei Monaten wird der nächste hier ankommen. Sag mal, wie, zum Teufel, bist du eigentlich hierher gekommen?“
„Das ist eine lange Geschichte. Jase, sag mir mal, was tun wir eigentlich hier? Was soll denn eigentlich die ganze Reise ins Niemandsland? Was waren denn das für Geschöpfe, die ich vor kurzer Zeit gesehen habe. Sie könnten alle aus den utopischen Sendungen der Fernsehstudios stammen.“
„Es ist ein riesiges Universum“, sagte Jason, der offensichtlich zu einer längeren Erklärung ansetzte.
„Ich beginne gerade zu lernen, wie groß!“
„Der Himmel ist voll von Sternen, und die meisten Sterne haben Planeten. Im Universum wimmelt es von Leben, von allen Arten intelligenten Lebens. Kurz gesagt, wir sind nicht allein. Es wäre doch genauso, als stiege man am Abend in den Düsen-Expreß von Washington nach New York ein und erwartete, darin der einzige Passagier zu sein. Im übrigen kann man von Glück
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