TS 57: Die Irrfahrten des Mr. Green
Stadt wußte, daß irgend etwas im Gange war. Zweifellos war viel Geld im Spiel. Doch was hatte das alles zu bedeuten? Miran und Green hüllten sich in Schweigen, und obschon der Herzog seinen Sklaven zum Reden hätte bringen können, verhielt er sich doch ruhig. Miran hatte versprochen, ihn am Profit zu beteiligen, unter der Bedingung, daß er dem Händler freie Hand ließe und keine Fragen stellte, und der Herzog war es zufrieden, denn er plante, den Gewinn in seiner Sammlung von Glasvögeln zu investieren. Zehn große Zimmer des Schlosses bargen dieses phantastisch glitzernde Vogelhaus: schillernd, stumm und von großer Schönheit, alle diese Gebilde Erzeugnisse der Glasbläser der berühmten Stadt Metzva Moosh, die weit, weit entfernt jenseits des Grasmeers der Xurdimur lag.
Green war dabei, als der Herzog mit Miran darüber sprach.
„Versteht mich richtig, Kapitän“, sagte der Herrscher und hob warnend den Finger, um die Bedeutsamkeit seiner Worte zu unterstreichen. Seine Augen, gewöhnlich zwischen tiefen Fettschichten versunken, hatten sich geweitet, und die Lider enthüllten große braune Augäpfel, aus denen die Begeisterung für sein Steckenpferd leuchtete. Nichts vermochte ihn in ein so bebendes Entzücken zu versetzen wie der Gedanke an das feinziselierte Abbild eines Vogels aus Metzva Moosh.
„Versteht mich richtig. Ich möchte zwei oder drei, aber nicht mehr,– denn mehr kann ich mir nicht leisten. Alle gefertigt von Izan Yushwa, dem größten unter den Glasbläsern. Besonderen Gefallen würde ich an einer Figur des Schreckensvogels …“
„Aber bei meinem letzten Aufenthalt in Estorya hörte ich, daß Izan Yushwa im Sterben läge“, wandte Miran ein.
„Großartig! Ausgezeichnet!“ rief der Herzog. „Umso wertvoller wird alles sein, was er vorher noch geschaffen hat. Ist er inzwischen verstorben, werden die Estoryaner, die die Ausfuhr aus Moosh kontrollieren, seine Arbeiten zwar wahrscheinlich mit hohen Preisen belegen, und während des Festes werden die Angebote noch weiter in die Höhe schnellen. Aber das macht nichts. Ihr müßt alle Interessenten überbieten. Zahlt jede Summe. Ich muß einfach etwas von ihm haben, was er in seinen letzten Tagen geschaffen hat.“
Der Herzog zeigte sich deshalb so begeistert, weil man allgemein des Glaubens war, in die letzten Schöpfungen eines sterbenden Künstlers würde ein Teil seiner Seele übergehen. Diese sogenannten ‚Seelenarbeiten’ brachten oft das Zehnfache einer jeden anderen Arbeit, auch wenn sie ihr in Entwurf und Ausführung unterlegen war.
Etwas griesgrämig meinte Miran: „Ihr habt mir aber noch kein Geld gegeben, um die Vögel für Euch zu kaufen.“
„Natürlich nicht. Ihr werdet mir die Summe vorschießen. Nach Eurer Rückkehr werde ich das Geld eintreiben und Euch Eure Auslagen zurückerstatten.“
Miran schien darüber nicht allzu glücklich, aber Green wußte genau, daß der fette Handelsmann sich jetzt schon vornahm, dem Herzog den doppelten Kaufpreis abzuverlangen. Was Green betraf, so hatte dieser nichts gegen den Eifer einzuwenden, mit dem jemand sein Steckenpferd ritt, nur mißfiel ihm, daß jetzt neue Steuern erhoben werden würden, um dem Herzog die Vergrößerung seiner Sammlung finanzieren zu helfen.
Die Herzogin, wie gewöhnlich von der Unterhaltung ihres Mannes gelangweilt, warf plötzlich ein: „Liebling, könnten wir nicht kommendes Wochenende wieder einmal auf die Jagd gehen? Ich fühle mich so unruhig in letzter Zeit. Ich kann keine Nacht mehr richtig schlafen. Vielleicht fehlt mir nur etwas Abwechslung, und die Bewegung und die frische Luft sollten mir guttun.“
Der Herzog stöhnte nicht gerade über den Vorschlag, nichtsdestoweniger rollten seine Augen flehend zu den Göttern empor. Bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr hatten auch ihm die Aufregungen einer Jagd Vergnügen bereitet, danach jedoch hatte er, wie die meisten Männer der Oberschicht, rapide Fleisch angesetzt und war zwangsläufig seßhaft geworden.
Es war Green, dem der Herzog jetzt seinen Blick zuwandte. „Kann er nicht die Jagd vorbereiten und führen?“ schlug er hoffnungsvoll vor. „Ich habe so viel anderes zu tun.“
„Zum Beispiel auf deinen Polstern hocken und dich an deinen Glasvögeln weiden, wie?“ entgegnete sie unwillig. „Kommt nicht in Frage.“
„Also schön“, resignierte er. „Ich habe einen Sklaven im Pferch, der auf seine Hinrichtung wartet, weil er einen Aufseher angegriffen hat. Den könnten wir als
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