TS 57: Die Irrfahrten des Mr. Green
berichten, daß er in ihr Zimmer eingedrungen sei – auf einem Weg, den man später herausfinden würde – und sie hinaus auf den Wehrgang gezerrt hätte, zweifellos in der Absicht, sie zu entehren. Warum er dazu einen öffentlichen Ort wählen sollte, nachdem er sich doch schon in der Abgeschiedenheit ihrer Kemenate befand, danach würde niemand fragen. Und die Wachen, obwohl sie genau wußten, was wirklich gespielt wurde, würden vorgeben, ihr zu glauben, ihn packen und in den Kerker werfen. Absurd an der ganzen Geschichte war nur, daß innerhalb weniger Tage die ganze Stadt, Zuni einbegriffen, der festen Überzeugung sein würde, daß ihre Anschuldigungen der Wahrheit entsprachen. Bis zu seiner Hinrichtung würden sie ihn bis aufs Blut hassen, und alle Sklaven würden unter diesem Haß zu leiden haben, weil man ihn auch auf sie übertragen würde.
Green hatte nicht die Absicht, es so weit kommen zu lassen. Durch eine Flucht bekannte er sich zwar schuldig, aber darauf kam es jetzt nicht mehr an.
Er stürzte durch die Geheimtür, schlug sie hinter sich zu, verriegelte sie und hetzte die Stufen hoch, die zu den Gemächern der Herzogin führten. Die Wachen würden einen Umweg nehmen müssen; wenigstens zwei Minuten blieben ihm, bis sie die beiden Türen der Vorräume aufschließen, den dort stehenden Posten die Lage erklären und mit der Suche nach ihm beginnen konnten. Green rannte und überlegte dabei blitzschnell. In der Erwartung, daß er sich einmal in einer solchen Situation befinden könnte, hatte er sich seit langem mehrere Fluchtwege in allen Einzelheiten zurechtgelegt. Jetzt wählte er den naheliegendsten und begann rasch und entschlossen zu handeln.
Die Wendeltreppe schraubte sich steil nach oben und war so schmal, daß sie jeweils nur einer Person Platz bot. Als er oben angelangt war, schwindelte ihm, so schnell war er die Stufen hinaufgehastet. Er taumelte und wäre fast gestürzt, aber trotzdem gönnte er sich keine Verschnaufpause, sondern riß den Hebel hinunter, der den Eingang zur Kemenate freigab, und stürmte hindurch. Gott sei Dank, niemand war im Zimmer! Er blieb einen Augenblick stehen und lauschte, ob sich jemand im angrenzenden Raum aufhielt, dann drückte er auf einen in die bronzene Wandverzierung eingelassenen Knopf, der zu dem Mechanismus gehörte, der die Geheimtür betätigte. Lautlos schloß sie sich. Green drehte an dem Knopf, bis die Tür sich von der anderen Seite nicht mehr öffnen ließ und gedachte dabei voll Dankbarkeit der Erbauer des Palastes, die mit dieser Vorrichtung den Bewohnern bei einem feindlichen Angriff die Flucht ermöglichen wollten. Ohne ihre Voraussicht hätte er seinen Verfolgern nie entkommen können.
Entkommen? Er hatte seine unvermeidliche Gefangennahme nur hinausgezögert. Nun, er würde weiter fliehen und dann, wenn man ihn endlich gestellt hatte, sein Leben so teuer wie möglich verkaufen.
Als erstes sah er sich nach einer Waffe um. Er kannte sich in Zunis Gemächern gut genug aus, um genau zu wissen, wo zu finden war, was er suchte. Er durchschritt zwei von einigen Öllampen und Kerzen nur schwach erhellte Zimmer und gelangte in ein drittes, wo an einer Wand ein Säbel hing, gefertigt aus dem besten Stahl, den es auf dem Planeten gab, von den berühmten Waffenschmieden des fernen und nahezu legendären Talamasko. Die Klinge war Teil der Morgengabe, die Zuni von ihrem Vater mitbekommen hatte, als sie den Herzog heiratete, damit sie sie an ihren ältesten Sohn weitergeben konnte, wenn er ins waffenfähige Alter kam. In goldenen Buchstaben stand auf ihrem Griff: ,Lieber tot als ehrlos’.
Er befestigte Schwert und Gehenk an einem Eisenring in seinem breiten Ledergürtel, trat dann vor Zunis prächtigen Frisiertisch, zog eine Schublade auf und nahm einen Dolch heraus. Zusammen mit einer unhandlichen, am Griff mit Gold- und Ebenholzverzierungen geschmückten Feuersteinpistole, brachte er ihn in seinem Gürtel unter, nachdem er die Pistole mit Pulver und einer Eisenkugel geladen hatte, die sich ebenfalls in der Schublade befunden hatten. Die restliche Munition schüttete er in einen Lederbeutel, befestigte auch diesen an seinem Gurt und trat dann wohlbewaffnet hinaus auf den Söller, um einen schnellen Überblick über die Lage zu gewinnen.
Drei Stockwerke unter ihm lag der Wehrgang und die Bank, auf der er vor wenigen Minuten noch gesessen hatte. Zuni und eine Anzahl Soldaten standen dort und starrten nach oben. Als sie ihn erblickten – beimSchein
Weitere Kostenlose Bücher