TS 57: Die Irrfahrten des Mr. Green
des Mondes und der Fackeln war er deutlich zu erkennen – erhob sich lautes Geschrei. Mehrere der Soldaten hoben ihre langen Musketen, doch Zuni verbot ihnen zu schießen. Green rieselte es kalt über den Rücken, als er die Rachsucht in ihrer Stimme entdeckte und sich ausmalte, warum sie ihn wohl lebend haben wollte. Von plötzlichem Zorn übermannt, richtete er die Pistole auf sie. Klickend schlug der Hahn auf den Feuerstein, ein Funke sprühte auf und setzte das aufzischende Pulver in Brand. Dann ertönte ein lauter Knall, gefolgt von einer Wolke schwarzen Rauchs. Als der Qualm sich verzog, sah er, daß jeder, einschließlich der Herzogin, in Deckung stürzte. Natürlich hatte er sie verfehlt, aber ein Wunder war das nicht. Als Sklave kannte er sich mit einer Pistole so gut wie gar nicht aus, doch auch ein geübterer Schütze hätte bei der Ungenauigkeit dieser Waffen vermutlich nicht getroffen.
Während er nachlud, hörte er über sich einen Schrei. Er blickte hoch und erkannte das runde, im Mondlicht blasse Gesicht des Herzogs, der sich über die Brüstung eines Balkons beugte. Green hob die noch leere Pistole, und mit einem angstvollen Ausruf brachte der Herzog sich in Sicherheit. Green mußte lachen. Wenigstens hatte er vor seinem Tod noch die Genugtuung gehabt, den Herzog, der sich stets seiner Tapferkeit im Kampfe rühmte, das Hasenpanier ergreifen zu sehen. Freilich würde der Herzog jetzt Green augenblicklich töten lassen müssen, sobald man ihn erst einmal ergriffen hatte, damit dieser ja nicht in Versuchung kam, sein Wissen auszuplaudern, aber eine solche Entwicklung der Dinge konnte Green nur recht sein.
Greens Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. Was wohl passieren würde, wenn die Soldaten die Befehle des Herzogs entgegennahmen, die denen der Herzogin direkt widersprachen? Die armen Kerle würden nicht mehr wissen, wo ihnen der Kopf stand. Natürlich wogen die Anordnungen des Mannes schwerer als die seiner Frau. Doch Zuni würde in ihrem Zorn bestimmt auf Mittel und Wege sinnen, diejenigen zu bestrafen, die zu pflichteifrig auf den Herzog hörten.
In diesem Augenblick erstarb sein Lächeln, und er wurde schreckensbleich. Ein tiefes, lautes Bellen erklang in seiner Nähe – und nicht etwa vor der Tür, sondern im Zimmer!
Er fluchte und fuhr herum, gerade noch rechtzeitig, um die blitzenden Zähne und das grüne Funkeln in den Augen von Alzo zu erkennen, dessen mächtiger Körper bereits durch die Luft auf ihn zuschnellte.
Siedendheiß fiel ihm ein, daß er vergessen hatte, die in die Tür eingelassene Klappe zu verriegeln, die Alzo jederzeit Zugang zur Kemenate gestattete. Und wenn sie dem großen Hund Durchlaß bot, dann nicht minder den Soldaten.
Instinktiv riß er die Pistole hoch und drückte ab. Doch der Schuß löste sich nicht. Es war kein Pulver auf der Pfanne. Immerhin bohrte sich der Lauf in Alzos weit aufgerissenen Schlund und lenkte ihn von seinem Ziel ab. Der Pistolenlauf, der im Rachen des Tieres steckte und es würgte, ließ Alzo im Augenblick an nichts anderes denken, als sich dessen zu entledigen.
Alzo schüttelte sich. Klirrend flog die Pistole gegen das Balkongeländer.
Green sprang aus der hockenden Stellung, in die ihn der Zusammenstoß mit Alzo geworfen hatte, hoch, stieß sich von dem Geländer ab und warf sich nach vorn. Im gleichen Moment aber sprang auch der Hund. Sie stießen beide mit den Köpfen zusammen, wobei Greens Schädel in die offene Schnauze getrieben wurde und durch die Wucht des Aufpralls den Hund zurückwarf. Die Kiefer bissen zu, doch sie schnappten nur über Luft zusammen. Green rollte sich außer Reichweite, bekam Alzos Schwanz zu fassen und schleuderte den Hund von sich weg. Ohne seinen Griff zu lösen, erhob er sich auf die Knie, stieß den Hund zur Seite und kam auf die Füße. Das vor Wut rasende Tier fuhr herum und schnappte nach den Händen, die es hielten. Green zog den Hund unter Anstrengung all seiner Kräfte am Schwanz zu sich her und halb in die Höhe, drehte sich halb herum, beugte sich nach vorn und schleuderte Alzo über seinen Kopf.
8.
Das furchterregende Knurren wurde plötzlich zu schrillem, verzweifeltem Heulen, während Alzo in die Leere jenseits der Brüstung stürzte. Green, der sich vorbeugte, um seinen Sturz zu verfolgen, empfand kein Mitleid mit dem Hund.
Alzos jammerndes Gekläff verstummte abrupt, als er auf die Brustwehr des Wehrgangs aufschlug, abprallte und in der dahinterliegenden Tiefe verschwand. Zeit
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