TS 58: Das Raumschiff der Verbannten, Teil 1
Besatzung der GLORIOUS auf 100 Millionen Menschen zusammengeschmolzen, und sich auszurechnen, wann überhaupt niemand mehr am Leben sein werde, war eine einfache Aufgabe für jeden sechsjährigen Jungen. Gus Leinster beendete in diesem Jahr seine Amtsperiode als erster Präsident des Parlaments. Sein Nachfolger wurde Rigellian, ehemals Zweiter Offizier.
Leinster zog sich jedoch keineswegs ins Privatleben zurück. Er wurde galaktonautischer Berater des Parlaments.
Denn noch war ja für die GLORIOUS nicht alle Hoffnung verloren!
Noch besaß sie das kleine Raumschiff, mit dem nach der Landung am Ziel und nach der Einrichtung der neuen Kolonie ein Teil der technischen Besatzung hätte zur Erde zurückkehren sollen.
Niemand wußte so recht, was mit dem Schiff anzufangen sei. Es bot im schlimmsten Fall tausend Mann Platz, und vorläufig war die Gesamtbesatzung der GLORIOUS noch hunderttausendmal so groß. An eine Rückkehr zur Erde von der GLORIOUS aus war wegen der hohen Geschwindigkeit, die das Schiff der Erde gegenüber besaß, und der begrenzten Energievorräte des kleinen Schiffes nicht zu denken.
Was also sollte man …?
Der einzige, der eine vage Vorstellung davon hatte, was man mit dem kleinen Schiff anfangen konnte, war Leinster.
„Es hört sich wie ein Witz an“, sagte er schmunzelnd zu Frodgey, „aber überlege dir einmal folgendes: Die irdische Technik kennt schon seit ein paar Jahrhunderten den überschnellen Funkverkehr. Er arbeitet mit Schwingungsvorgängen, die nicht in unserem Raum und nicht nach den uns bekannten physikalischen Gesetzen sich fortpflanzen. Sie erreichen weitaus höhere Geschwindigkeiten als die des Lichts. Eine Verbindung zwischen der Erde und einem Siriusbegleiter ist innerhalb weniger Minuten herzustellen, obwohl die Entfernung rund acht Lichtjahre beträgt.“
Leinster war dabei, sich in die Begeisterung hineinzureden. Frodgey blinzelte ein wenig verständnislos, und offen wie er war, gab er zu:
„Ich verstehe kein Wort, Chef!“
„Schön, dann paß auf: Nach meiner Ansicht können nur ein paar Jahrzehnte – meinetwegen ein Jahrhundert – vergehen, bis die Menschheit herausgefunden hat, wie man einen überlichtschnellen Antrieb baut. Ein Schiff, das einen solchen Antrieb besitzt, wird sich nicht mehr in unserem Kontinuum bewegen, sondern außerhalb, in einer Art Überraum. Und es wird die Entfernung zum Sirius ebenso in wenigen Minuten überwinden können wie es zuvor schon das überschnelle Funkgespräch konnte.“
Frodgeys Gesicht begann zu leuchten.
„Du meinst“, begann er zögernd, „sie werden uns überholen?“
Leinster nickte.
„Genau. Bis wir zum Ziel kommen, werden andere Menschen in Schiffen mit überschnellen Antrieben dort gelandet sein – und wenn wir gut genug aufpassen, können wir uns rechtzeitig mit ihnenin Verbindung setzen und sie um Hilfe bitten. Ich meine, wer ein überlichtschnelles Schiff fahrt, der wird vielleicht auch die Möglichkeit haben, einen so schweren Brocken wie die GLORIOUS abzubremsen und auf irgendeiner Welt landen zu lassen.“
Er stand auf, und an dem harten Leinster war es seltsam zu sehen, mit welcher Begeisterung er sprach:
„Warte ab, Frodgey! Laß ein paar Jahre vergehen, und die Menschheit wird bis an die Grenzen des Alls vorgedrungen sein. Überall, wo wir hinfliegen, werden Menschen sein!“
Gus Leinster starb im Jahre 3185.
Frodgey Willagher folgte seinem Chef ein Jahr später. Die letzten Worte, die er sagte, waren die, die er damals, im Jahre 3135, von Gus Leinster gehört hatte.
Leinster hatte nicht mehr erlebt, daß seine Hoffnung in Erfüllung ging. Aber die nach ihm würden es erleben.
Wenn noch welche übrigblieben!
Im Jahre 3200 betrug die Besatzung der GLORIOUS noch fünf Millionen Männer, Frauen und Kinder.
Aber die Geburtenziffer pro Jahr war auf zweihundert gestiegen …
ENDE DES ERSTEN TEILS
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