TS 63: Planet zu verschenken
noch sorgfältiger vorgehen und jeden Schritt genau vorbereiten. Was weißt du zum Beispiel von Ymir?“
Lecoq war überrascht. Er war sonst immer sehr schnell bei der Sache, aber er kannte seinen Boß und ahnte, daß der etwas im Schilde führte.
„Ich bin über alle Kolonien informiert“, sagte er nach einer Weile. „Der Planet Ymir ist der kälteste, unangenehmste Planet, auf den je ein Mensch seinen Fuß gesetzt hat. Die Äquatorregionen sind einigermaßen bewohnbar; die Einwohnerzahl beträgt etwa acht bis zehn Millionen Menschen. Alle frieren ganz erbärmlich und sind fast verhungert, aber sie behaupten, daß es ihnen gefällt.“
„Nein, das ist falsch!“ rief Bassett laut. „Es gefällt ihnen ganz und gar nicht. Sie ertragen es, weil sie keinen Ausweg aus ihrer Lage sehen. Ich habe mich sehr eingehend mit der Geschichte dieses Planeten beschäftigt, Lecoq. Kurz bevor ich dich rufen ließ, habe ich noch einen Film ablaufen lassen. Ich habe ihn noch immer im Projektor.“
Er bediente einige an seinem Schreibtisch angebrachte Schalter und zog dunkle Gardinen vor das breite Fenster. Lecoq drehte seinen Stuhl um und blickte genau wie Bassett auf die gegenüberliegende Wand. Der Projektor lief rückwärts. Lecoq sah eine irrsinnige Folge unzusammenhängender Bilder.
„Ich bin gleich wieder am Anfang“, erklärte Bassett. „Das ist ein offizieller Film, den die Gesandtschaft zur Verfügung stellte.“
„Ich habe gar nicht gewußt, daß die für ihren Kühlschrank noch Reklame machen“, warf Lecoq belustigt ein.
„Es ist auch keine Reklame. Die Leute haben einen recht eigenartigen Stolz entwickelt. Sie halten sich für besonders zäh und tüchtig. Nach ihrer Meinung gibt es im ganzen Universum keine besseren Menschen. Sieh dir das einmal an!“
Bassett ließ den Projektor laufen, bis eine bestimmte Szene sichtbar wurde. Es war ein Ausblick auf die Stadt Festerburg. Zwischen grauen Eiswänden standen häßliche klotzige Bauten. Über den Dächern lag eine schwarze Rauchwolke und verstärkte den Eindruck finsterer Einsamkeit. Die Bewohner von Festerburg heizten mit Kohle und Öl, denn nur diese Brennstoffe ließen sich in mühseliger Handarbeit dem gefrorenen Boden entreißen.
„Weißt du, was das ist?" fragte Bassett.
„Das ist Festerburg, die Hauptstadt der Kolonie.“
„Richtig. Der Name ist von einem alten evangelischen Kirchenlied abgeleitet. Ich hätte mir etwas besseres einfallen lassen.“
Er zeigte auch Bilder von den Gründern der Kolonie, hielt sich aber nicht lange damit auf. Alle diese Bilder zeigten mürrische, intolerante Gesichter von Männern und Frauen. Ein Bild, das gleich nach der Landung aufgenommen worden war, fesselte ihn am stärksten.
Männer, Frauen und Kinder standen zitternd zwischen Gletschern und Schneewehen und beteten bei den Ruinen der verbrannten Raumschiffe. Die Kolonisten waren entschlossen, alle Brücken hinter sich abzubrechen. Sie wollten nichts mehr mit der sündigen, profanen, der Verdammnis preisgegebenen Erde zu tun haben.
„Daswar natürlich idiotisch“, kommentierte Bassett trocken. „Die Leute hatten sich eine Menge vorgenommen, aber die Wirklichkeit sah doch ein wenig anders aus. Wenn sie jetzt herkommen, dann unter dem Vorwand, uns sündige Erdenwürmer zur Entsagung zu bekehren. Ursprünglich wollten sie überhaupt nichts mehr mit uns zu tun haben und völlig unabhängig leben. Das hat dann leider nicht so richtig geklappt. Nachdem einige Tausende von ihnen umgekommen waren, besannen sie sich wieder auf die Erde und bezogen besondere Samen und widerstandsfähige Tierarten. So ist das noch heute. Sie sind von uns mehr oder weniger abhängig und beneiden uns um unseren Wohlstand. Die Gesandtschaftsmitglieder behaupten zwar, jeder Tag auf der verworfenen Erde sei ihnen ein Greuel, aber das ist ganz bestimmt nicht wahr. In Wahrheit schlagen sich die Anwärter fast um eine Stelle bei der Gesandtschaft. Vor ein paar Jahren war sogar ein Mann dabei, der sich mit Einwohnern von Rio befreundete und ganz und gar nichts gegen volle Fleischtöpfe hatte. Bevor er seine Kollegen anstecken konnte, wurde er schnell zurückexpediert. In den offiziellen Berichten wird das natürlich nicht erwähnt.“
Bassett schüttelte lachend den Kopf und fuhr fort? „Diese Heuchler behaupten sogar, daß sie freiwillig auf die Annehmlichkeiten eines wärmeren Klimas verzichten, weil jede Art von Bequemlichkeit Sünde ist. Die Sache hat aber einen Haken: die Jugend will
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