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TS 72: Das Erbe von Hiroshima

TS 72: Das Erbe von Hiroshima

Titel: TS 72: Das Erbe von Hiroshima Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clark Darlton
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Ich bin froh, daß du mir eine Entscheidung aus der Hand genommen hast. Sechs Jahre habe ich es ausgehalten, aber nun bin ich am Ende – oder vielmehr: am Anfang. Ich habe – nun, ich habe meine Fähigkeiten soweit ausgebildet, daß es praktisch für mich keine Hindernisse mehr gibt. Ich beherrsche die Materie mit meinem Geist in fast vollkommener Perfektion.“
    „Ja, ich habe es bemerkt. Das Feuerzeug …“
    „… war nichts als eine Kleinigkeit im Vergleich zu dem, was zu demonstrieren ich nicht bereit bin. Lex, eine Frage: liebst du mich noch?“
    „Wie kannst du daran zweifeln? Mir tut meine damalige Haltung leid, Ann, glaube mir. Ich war dumm und – vielleicht sogar feige. Ich wollte dich ausnutzen und dich zu einer Sensation machen, um davon zu profitieren. Ich wollte einfach meinen Dickkopf durchsetzen. Aber deiner war dicker.“
    „Du hast an mir gezweifelt, gib es zu. Du hast gedacht, kein Mensch könne jemals der Versuchung widerstehen, in die er durch die eigene Überlegenheit gerät. Du hast gemeint, man müsse mich unter Kontrolle halten, damit ich keine Dummheiten beginge. War es nicht so?“
    „Vielleicht war es so – jedenfalls denke ich heute anders darüber. Ich habe viel mit deinem Vater gesprochen, und ich glaube, deine Motive zu verstehen. Ich selbst bin älter geworden, Ann. Ich bin nun zweiundvierzig. Wenn du mir verzeihen kannst, dann tue es. Du wirst niemals einen besseren Verbündeten in deinem Kampf gegen die menschliche Unvernunft finden.“
    Sie nickte langsam.
    „Ich habe mich nach deiner Hilfe gesehnt, denn allein fühle ich Angst. Aber unsere Begegnung kam zu plötzlich. Gib mir einige Stunden Zeit, alles in Ruhe zu überlegen.“ Sie öffnete ihre Handtasche und zog Papier und Bleistift daraus hervor. „Hier ist meine Adresse. Komme um genau neun Uhr zu mir, ich erwarte dich dann.“
    „Warum nicht sofort?“
    „Ich sagte es dir schon, Lex. Ich muß jetzt allein sein, um überlegen zu können. Das, was ich plane, ist zu gewaltig, um es hier zu erörtern. Und ich möchte dir den Rat geben, dich ebenfalls vorzubereiten. Überlege dir inzwischen sehr gut, ob deine Liebe zu mir nicht nur Illusion ist, und ob du tatsächlich bereit bist, an meiner Seite, wenn es sein muß, die Welt aus den Angeln zu heben.“
    Er lächelte schwach.
    „Ich hoffe nicht, daß du das kannst.“
    Sie gab das Lächeln nicht zurück.
    „Du wirst dich damit abfinden müssen, Lex, daß ich es kann, wenn ich will. Und – wenn ich dazu gezwungen werde. Also – in zwei Stunden dann. Du bezahlst inzwischen für mich mit, ja?“
    Er sah ihr nach, als sie davonschritt, bis sie auf der belebten Straße seinen Blicken entschwand.
    Wie zart sie aussah, wie schmal sie war.
    Gar nicht wie ein Mensch, dessen Geisteskräfte eine Welt zum Einsturz bringen konnten …

 
6.
     
    Draußen rauschte der Verkehrslärm, brach sich an den Kreuzungen und brandete an den Mauern der Häuser empor. Erst in Höhe der oberen Stockwerke verlor er seine Kraft und wurde zu einem fernen Gemurmel. Man mußte schon aufmerksam lauschen, wollte man ein Fahrzeug von dem anderen unterscheiden, denn die vielen Einzelgeräusche waren nun zu einem einzigen verschmolzen und bildeten in ihrer Einheit die Symphonie einer ganz normalen Großstadt …
    Ann Abritte saß an ihrem Tisch. Die Dämmerung war inzwischen in Dunkelheit übergegangen. Nur die Leuchtreklamen warfen ihre Reflexe in regelmäßigen Abständen in das Zimmer und ließen die Einrichtungsgegenstände sichtbar werden. Bei jedem Aufleuchten sah Ann etwas anderes, und doch war ihr, als könne sie in jeder dieser Sekunden den gesamten Raum mit den Augen erfassen.
    In wenigen Minuten war es neun Uhr.
    Für sie sollte der heutige Abend eine Generalprobe sein, ein letztes Gericht in gewissem Sinne. Wenn Lex sie nicht verstand – aber es sah ganz so aus, als würde er das tun –, wollte sie aufgeben.
    Aber – würde sie das wirklich? Konnte sie eines einzigen Menschen wegen alle anderen hilflos ihrem Schicksal überlassen? Mußte sie dann nicht erst recht kämpfen?
    Die Uhr tickte und gab keine Antwort. Sie würde solange ticken, bis das Werk abgelaufen war – oder bis man sie anhielt. Ja, man mußte sie anhalten …
    Sie starrte gegen die Wand des in Dunkelheit getauchten Zimmers. Ihr war, als wiche diese Wand plötzlich zurück und mache einer riesigen Bühne Platz, auf der die Geschehnisse nun abzurollen begannen. Wie ein unbeteiligter Zuschauer schaute sie hinab auf die

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