TS 77: Der große Zeitkrieg
Spiegelhalle.“
„Glauben Sie …“, Reds Kehle war so ausgetrocknet, daß seine Worte wie ein heiseres Krächzen klangen. „Glauben Sie, daß es dort draußen irgendwo Leben gibt?“
„Ich bezweifle es“, antwortete Burma. „Beinahe mit Bestimmtheit kann man sagen, daß es keine Planeten gibt. Es sind natürlich nicht die Sterne, die wir kennen. Es sind ungeheure Zusammenballungen von Staub und Gas, die noch kaum zu strahlen begonnen haben. Wahrscheinlich kommt ihre Energie in der Hauptsache aus reiner Gravitations-Kontraktion.“
Und hier bin ich, dachte Burma plötzlich. Wie ist es möglich, daß ich in die frühesten Tage des Universums zurückgeworfen werde und mit Bestimmtheit von Dingen sprechen kann, die kein lebendes Geschöpf je gesehen hat?
„Vielleicht besitzt die Zeit überhaupt keine Bedeutung“, überlegte er laut. Als er sich umsah, stellte er fest, daß er mit Red und Chantal allein war. Alle anderen waren nach unten zurückgegangen.
„Ich weiß nicht, ob Sie dies verstehen“, sagte er nach einer Pause, „aber – nun, denken Sie einmal darüber nach. Vor wenigen Jahrhunderten hat die Zeit begonnen. Alles hat begonnen! Es gab kein ,davor’. Es gab nichts – überhaupt nichts.“
Chantal schauderte. Red legte den Arm um sie und zog sie an sich.
„Und hier sind wir, eine Handvoll menschlicher Wesen“, beendete Burma seinen Gedankengang. „Wir stehen auf der Schwelle zur Unendlichkeit.“
„Red“, sagte Chantal leise, „glaubst du, daß es sich gelohnt hat?“
„Was meinst du damit?“
„Es erscheint völlig ungewöhnlich, daß wir von hier wieder wegkommen werden, nicht wahr?“ erklärte das Mädchen rundheraus. „Glaubst du, daß es sich gelohnt hat um dieses Anblicks willen?“
Red hatte noch nicht darüber nachgedacht. Jetzt sagte er aber mit fester Stimme: „Ja! Ich glaube es!“
„Und ich auch“, antwortete Chantal. „Ich habe es nie zuvor verstanden, aber ich glaube, dies ist das Gefühl, das die Männer empfunden haben, die als erste den Mount Everest bestiegen haben oder die, die als erste auf dem Mond gelandet sind.“
Burma sah zu ihnen hinüber und empfand ein Gefühl des Neides. Für ihn gab es niemand – Artesha war ungezählte Millionen von Jahren von ihm entfernt – und Arteshas Mann konnte nie mit jemand anderem glücklich sein.
Ein Schrei zerriß die Stille. „Was war das?“ fragte Red und drehte sich schnell um, aber Chantal hatte bereits den richtigen Schluß gezogen.
„Es klang wie Vyko“, sagte sie und eilte aus dem Raum, gefolgt von Red und Burma.
Die Augen des Jungen standen weit offen und starrten ins Leere.
„Vyko! Was gibt es?“ rief Burma. Der Junge stöhnte leise. Er fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen und murmelte dann einige Worte.
„Was hat er gesagt?“ wollte Red wissen.
Chantal stand auf.
„Er hat gesagt, jetzt käme alles zu einem Halt“, sagte sie verständnislos. Dann aber ging ihr die Bedeutung dieser Worte auf, und sie hielt sich die Hand vor den Mund. „Burma! Glauben Sie, daß er in der Zeit ebenso rückwärts wie vorwärts sehen kann? Über den Anfang hinaus, meine ich.“
„Möglicherweise“, nickte Burma. Aber diese Vermutung wurde augenblicklich durch Vykos nächste Worte zerstört. „Nichts!“ stöhnte er. „Überhaupt nichts! Nur Sterne und Sterne, die irgendwo durch das All ziehen!“
„Was meinen Sie?“ drängte Red und beugte sich vor. „Können Sie uns nicht sagen, was nicht dort ist?“
„ Irgend etwas! Etwas, das vorher dagewesen ist, sowohl in meiner als auch in Ihrer Zeit. Etwas Gewaltiges und Freundliches und Sicheres. Und jetzt bin ich allein!“
„Das WESEN“, sagte Burma leise. „Er kann nur das WESEN meinen. Aber wie sind wir ihm entgangen, wenn uns die Zeitenwoge hierher zurückgeworfen hat?“
„Auf Grund des Trägheitsgesetzes“, meinte Red. „Das WESEN mag nicht die Nachbarschaft von Sonnen und Konzentration hoher Energien, haben Sie uns einmal erzählt. Das ganze Universum ist in diesem frühen Stadium eine höchst energiereiche Konzentration. Nehmen wir an, es reicht nicht so weit zurück? Dann könnten wir durch die restliche Kraft über das Ende der Zeitenwoge hinausgetragen worden sein …“
Seine Stimme verklang.
„Wir sind allein“, sagte Chantal gepreßt. „Es gibt niemand im Universum außer uns.“
„Denken Sie nur daran, wieviel schlimmer es für diesen armen Jungen ist“, erinnerte Burma sie. „Er hat etwas verloren, das ein
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