TS 92: Apollo auf Mondkurs
gab Ashfield zu. Er lehnte sich in seinen Sessel zurückund betrachtete Faulk nachdenklich. „Ihr gebt alle die gleichen Antworten, Joe. Habt ihr sie gemeinsam einstudiert?“
„Nein.“ Faulk grinste amüsiert. Das war wieder einmal typisch für den Psychiater Ashfield, der ihn hereinzulegen versuchte. „Ist es denn nicht verständlich, daß wir ähnlich denken?“
Ashfield lächelte. „Mag sein, aber ich möchte trotzdem wissen, was Sie wirklich denken. Haben Sie Angst?“ Die letzte Frage kam völlig überraschend.
„Ein bißchen Angst gehört immer zu diesem Geschäft“, gab Faulk zögernd zu. „Es geht einfach nicht ohne. Das wissen Sie doch auch. Jeder Düsenjägerpilot hat sie.“
„Aber jetzt haben Sie mehr Angst als früher?“
„Das kann ich nicht bestreiten.“
„Wie kommt das?“
„In einem Flugzeug ist man vom Start bis zur Landung für alles selbst verantwortlich“, erklärte Faulk ihm. „Aber hier ist man während des Starts völlig überflüssig – reine Nutzlast.“
„Der Maschine ausgeliefert, was?“
„So ähnlich könnte man es nennen.“
„Eine normale Reaktion“, beruhigte ihn Ashfield.
Faulk grinste. „Sie sollten es einmal versuchen, Doktor.“
„Nein, danke. Ich bleibe lieber bei meinen Pillen.“ Der Arzt lehnte sich vor. „Wer ist ihrer Meinung nach der beste Pilot des gesamten Teams, Joe? Sie natürlich ausgenommen.“
Faulk zögerte überrascht. „Unentschieden“, meinte er schließlich. „Max Kovac oder Whitey Burke.“
„Interessant.“ Ashfield sah auf seine Uhr. „Das ist alles für heute, Joe.“
„Danke.“ Als Faulk aufstand, hielt der Arzt ihn zurück.
„Schicken Sie mir bitte Kovac herein, ja?“
„Wird gemacht.“ Faulk unterdrückte seine Erregung, als er den Raum verließ. Der Mond. Der große Flug. Das Ziel, das er anstrebte, seit der erste Sputnik ein neues Zeitalter angekündigt hatte. Am Anfang war alles einfach erschienen. Er hatte sich schnell bewährt, hatte die erste Stelle unter den Astronauten eingenommen. Bis dann …
Er zwang sich dazu, an etwas anderes zu denken. Er hatte eine Chance, eine sehr geringe. Warum hatte Ashfield ihm die letzte Frage gestellt? Um seine Urteilsfähigkeit zu prüfen? Kovac und Burke waren erstklassig. Das wußte jeder – obwohl er sich selbst für besser hielt. Kovac, dachte er, oder Burke. Oder beide. Dann blieb noch der dritte Platz. Das hing von Ashfields Beurteilung ab. Und von Phil Herndon, diesem eiskalten Rechner, für den Sentimentalität ein unbekanntes Wort war. Ashfield konnte sie auf körperliche und geistige Defekte untersuchen; Herndon würde nur auf eines sehen: Hat er das Zeug dazu? Wenn man diese Bedingung erfüllte, überlegte Faulk sich, spielte es vermutlich keine Rolle mehr, ob man normal war, oder zwei Köpfe und drei Beine hatte …
Einige Minuten später stand er draußen vor Komplex 39, der riesigen Startrampe, die von der NASA nur zu einem Zweck errichtet worden war – um Menschen auf den Mond zu befördern. Inmitten der Stahlkonstruktion ruhte die Saturn, die gigantische Dreistufenrakete, die das Raumschiff in eine Kreisbahn um die Erde bringen würde. An der Spitze der Rakete befand sich auch der seltsame Apparat, der offiziell den Namen „Mondlandungskapsel“ trug, während er von den Astronauten als „Mondkäfer“ bezeichnet wurde. Er würde die Verbindung zwischen der Apollo, die in einer Kreisbahn um den Mond bleiben würde, und der unwirtlichen Oberfläche des Mondes darstellen. Der Mondkäfer – ein Traumschiff …
Der Mond. Faulk dachte an vergangene Zeiten zurück. Die ersten Prototypen des Raumschiffs waren innerhalb der Erdatmosphäre getestet worden, dann folgte eine Versuchsreihe, bei der die Flugeigenschaften beim Wiedereintritt in die Atmosphäre festgestellt werden sollten. Vor fast genau zwei Jahren war ein Probestart erfolgt. Nur hatte Apollo nie die Luftschicht der Erde verlassen. Der Flug war abgebrochen worden – er hatte ihn abgebrochen!
Die Vergangenheit tauchte wieder vor ihm auf.
T plus 15 Sekunden. Die Trägerrakete stieg, wurde ständig schneller, neigte sich leicht, um die vorgeschriebene Bahn zu durchfliegen.
Er befand sich allein an Bord von Apollo. Kopilot und Navigator waren durch Ballast ersetzt worden. Faulk saß in dem Sessel des Kommandanten, fühlte die Schwerkraft immer stärker, spürte die Vibrationen, die von den Triebwerken ausgingen. Damals war er noch ein Draufgänger gewesen – der Astronaut Nummer Eins, der
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