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TS 94: Sehnsucht nach der grünen Erde

TS 94: Sehnsucht nach der grünen Erde

Titel: TS 94: Sehnsucht nach der grünen Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredric Brown
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Zehenspitzen vorbei. Dann Stufen hinunter.
    Er dachte eine Frage:
    „Wohin geht’s?“
    „IN DEN IRRSINN“, antwortete die Stimme.
    „Aber du sagtest doch, ich sei nicht …“
    Er hatte es laut gesprochen, und das Geräusch erschreckte ihn beinahe mehr als die Antwort auf seine letzte Frage. Und in die nachfolgende Stille drang – vom Fuß der Treppe her – das Summen einer Schaltanlage, und jemand sagte:
    „Ja? – In Ordnung, Herr Doktor, ich bin gleich oben.“
    Schritte, dann das Zuschnappen der Lifttür.
    Er ging die restlichen Stufen hinunter, bog um die Ecke und stand vor der Eingangshalle, neben ihm das verlassene Pult mit der Schaltanlage. Er schritt daran vorbei und hinüber zum Haupttor. Es war geschlossen, und er stieß den schweren Riegel zurück.
    Er trat ins Freie, hinaus in die Nacht.
    Leise schritt er über den Zement, über den Kies; dann befand sich Gras unter seinen Schuhsohlen, und er brauchte nicht mehr auf den Zehenspitzen zu gehen. Er fühlte die Nähe von Bäumen, und gelegentlich streiften Blätter sein Gesicht, aber er schritt kräftig aus, kräftig und zuversichtlich, und seine Hand glitt gerade noch rechtzeitig nach vorn, um nicht gegen die Ziegelmauer zu prallen.
    Er streckte sich und bekam den oberen Rand zu fassen; er zog sich empor und darüber hinweg. Glasscherben bedeckten die schmale Oberfläche; er zerschnitt sich Kleider und Fleisch, aber er empfand keinen Schmerz, nur die Nässe des Blutes, und dessen Klebrigkeit.
    Er schritt eine beleuchtete Straße entlang; er schritt dunkle und verlassene Gäßchen entlang; er schritt eine noch finsterere Allee entlang. Er öffnete die Hintertür eines Hofs und schritt zur Hintertür eines Hauses. Er öffnete die kleine Pforte und trat ein. Im vorderen Teil des Hauses war ein beleuchteter Raum; am Ende des Korridors, in dem er sich befand, konnte er ein helles Rechteck ausmachen. Er schritt den Korridor entlang und dann hinein in den beleuchteten Raum.
    Jemand, der gerade an einem Schreibtisch gesessen hatte, erhob sich.
    Jemand – ein Mann, dessen Gesicht er kannte, an den er sich aber nicht …
    „Ja“, sagte der Mann lächelnd, „einerseits kennst du mich, andererseits aber wieder nicht. Dein Geist steht unter partieller Kontrolle, und deine Fähigkeit, mich zu erkennen, ist ausgeschaltet. Davon und von deiner Analgesie abgesehen – durch die Glasscherben bist du blutverschmiert, aber du empfindest keinerlei Schmerz –, ist dein Verstand voll funktionstüchtig, und du bist geistig normal und gesund.“
    „Was hat das Ganze zu bedeuten?“ fragte er. „Warum wurde ich hierher gebracht?“
    „Eben darum – weil du normal bist. Es tut mir leid, aber das geht einfach nicht. Es ist nicht so sehr, daß du nach deiner Versetzung die Erinnerung an dein früheres Leben behalten hast … Vielmehr, daß du irgendwie etwas weißt, was du nicht wissen solltest – etwas über den strahlend Hellen und über das Spiel zwischen den Roten und Schwarzen. Aus diesem Grund …“
    „Aus diesem Grund was ?“ fragte er.
    Der Mann, den er einerseits kannte, andererseits aber wieder nicht, lächelte sanft.
    „Aus diesem Grund mußt du den Rest erfahren, damit du überhaupt nichts weißt. Denn alles zusammen ergibt nichts. Die Wahrheit wird dich in den Irrsinn treiben.“
    „Das glaube ich nicht!“
    „Natürlich glaubst du es nicht. Wäre die Wahrheit für dich begreifbar, würde sie dich nicht in den Irrsinn treiben. Aber du vermagst die Wahrheit nicht einmal annähernd zu begreifen.“
    Unbändiger Zorn erfüllte ihn.
    Er starrte in das Gesicht, das er einerseits kannte, andererseits wieder nicht, und dann starrte er an sich herab; auf die zerrissene und blutig-graue Anstaltskleidung, auf seine zerrissenen und blutig-grauen Hände.
    Die Hände, sie krümmten sich zusammen wie Klauen, erfüllt von dem Verlangen, zu töten – irgend jemanden, denjenigen, wer immer es auch sein mochte, der vor ihm stand.
    Er fragte:
    „Was bist du?“
    „Ich bin ein Instrument des strahlend Hellen.“
    „Dasselbe Instrument, das mich hierher führte, oder ein anderes?“
    „Einer ist alle, alle sind einer. Innerhalb des Ganzen und seiner Teile gibt es keine Unterscheidung. Ein Instrument ist das andere, die Roten sind die Schwarzen, und die Schwarzen sind die Weißen. Der strahlend Helle ist die Seele der Erde. Ich verwende das Wort,Seele’, weil es von allen deinen Begriffen dem wahren am nächsten kommt.“
    Er fragte:
    „Was ist der strahlend

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