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TS 94: Sehnsucht nach der grünen Erde

TS 94: Sehnsucht nach der grünen Erde

Titel: TS 94: Sehnsucht nach der grünen Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fredric Brown
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jetzt, in welch wunderschöne Falle er da hineingetappt war. Ja, hier würde er wahrscheinlich sterben …
    Er lehnte den Kopf an die kühlen Eisenstangen und schloß die Augen. Er hörte Schritte, die sich entfernten.
    Er öffnete die Augen und blickte hinaus in die Dunkelheit; die Wolken hatten sich auch schon über den Mond geschoben.
    Clare, dachte er. Clare!
    Eine Falle.
    Aber – wenn es eine Falle war, dann mußte es auch jemanden geben, der sie gestellt hatte.
    Er war normal oder aber verrückt. Wenn normal, so war er in eine Falle getappt, und wenn es eine Falle gab, dann mußte es auch jemanden geben, der sie gestellt hatte!
    Einen Fallensteller – oder mehrere.
    Fallensteller, Fallensteller. FALLE.
    Wenn er jedoch verrückt war …
    Gott, möge dies doch der Fall sein! Dann gäbe es für alles eine ganz simple, plausible Erklärung, und er würde vielleicht eines Tages hier herauskommen, würde vielleicht wieder zur Blade in die Arbeit gehen, möglicherweise sogar mit der Erinnerung an all die Jahre, die er dort verbracht hatte. Er – oder George Vine.
    Hier lag der Haken. Er war nicht George Vine!
    Und es gab noch einen Haken: Er war nicht verrückt!
    Das kühle Metall des Gitters an seiner Stirn …
    Nach einer Weile hörte er, wie die Tür geöffnet wurde, und er drehte sich um. Zwei Wärter waren hereingekommen. Eine jähe Hoffnung erfüllte ihn.
    Sie war nur von kurzer Dauer.
    „Schlafenszeit, Leute“, sagte der eine. Er blickte auf den Manisch-Depressiven, der reglos auf seinem Stuhl saß, und sagte: „So ‘was Verrücktes. He, Bassington, helfen Sie mir mal, diesen Kerl da flachzulegen.“
    Der andere Wärter, ein stämmiger Mann mit kurz geschnittenem Haar, wie das eines Ringers, kam herüber zum Fenster.
    „Sie da. Sie sind der Neue hier? Vine, stimmt’s?“
    Er nickte.
    „Wollen Sie Krawall machen oder schön brav sein?“
    Der Wärter ballte die Finger der rechten Hand zur Faust, machte eine vielsagende Geste und ließ die Hand dann wieder fallen.
    „Nein, keine Lust. Hab’ selbst Kummer genug.“
    Der Wärter entspannte sich etwas. „In Ordnung, bleiben Sie dabei, und Sie kommen zurecht. Dort drinnen ist ein Bett frei.“ Er deutete zur Tür, die in die nächste Kammer führte. „Auf der rechten Seite. Morgen können Sie sich einrichten. Jetzt aber bleiben Sie drinnen und geben Ruhe. Wenn hier Krawall gemacht wird, kommen wir und kümmern uns darum. Auf unsere Weise. Wird Ihnen nicht gefallen.“
    Er wagte es nicht, zu sprechen, also nickte er bloß. Er drehte sich um und schritt hinüber in die angrenzende Kammer, die ihm der Wärter zugewiesen hatte.
    Drinnen gab es zwei Betten. Der Manisch-Depressive lag in dem einen ausgestreckt auf dem Rücken und starrte blindlings zur Decke; seine Augen waren geweitet. Man hatte ihm die Schuhe ausgezogen, ihn sonst aber voll bekleidet gelassen.
    Er wandte sich seinem eigenen Lager zu. Er wußte, es gab nichts auf der Welt, was er für den anderen Mann tun könnte – keine Möglichkeit, ihn durch die undurchdringliche Schale des Elends zu erreichen, die zeitweiliger Begleiter eines jeden Manisch-Depressiven ist.
    Er rollte die graue Wolldecke auf seinem Lager zurück und entdeckte darunter eine weitere graue Wolldecke, die über eine harte, aber dennoch elastische Matratze gebreitet war. Er schlüpfte aus Hemd und Hose und hängte die beiden Kleidungsstücke am Fußende des Bettes an einen Wandhaken. Er sah sich nach einem Schalter um, in der Absicht, die Deckenbeleuchtung abzuknipsen, aber er fand keinen. Noch während er suchte, ging das Licht aus.
    Irgendwo draußen im Korridor, der die einzelnen Kammern miteinander verband, brannte noch immer eine Lampe, und in ihrem trüben Schein gelang es ihm so recht und schlecht, sich die Schuhe und die Socken auszuziehen und es sich auf seinem Lager bequem zu machen.
    Eine Weile lang blieb er ganz still liegen; nur zwei Geräusche drangen an seine Ohren, beide schwach und scheinbar weit entfernt. Irgendwo in einem anderen Raum sang jemand leise vor sich hin – ein Lied ohne Worte; irgendwo schluchzte jemand. In seiner eigenen Kammer vermochte er nicht einmal den Atem seines Zimmerkollegen wahrzunehmen.
    Dann hörte er das leise Tappen bloßer Fußsohlen; jemand stand im Türrahmen und sagte:
    „George Vine …“
    „Ja?“
    „Pst! Nicht so laut. Ich bin’s, Bassington. Wollte Sie noch über diesen einen Wärter informieren; hätte Sie schon früher warnen sollen. Ist ein richtiges Luder.

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