TTB 105: Das große Abenteuer des Mutanten
Klippe über einem Fluß, den er für den Zubringer des Bibersees hielt. Beweis dafür waren die Stücke angekohlten Holzes, die sich zwischen den Steinen verfangen hatten. Der Wasserspiegel war gefallen; vermutlich hatten die Biber ihren Damm wieder repariert. Fors lag da, mit schmerzenden Gliedern. Ihm war, als liefe er seit endlosen Tagen.
Er hatte Glück, daß er flußabwärts blickte, denn so sah er etwas sehr Seltsames. Ein Tier kam den Fluß heraufgeschwommen, auf merkwürdige Art das Ufer entlangschnuppernd, als suche es etwas. Als es die Stelle erreichte, wo Fors gekniet hatte, um zu trinken, kletterte es heraus aus dem Wasser und hockte sich auf die Hinterbeine, die Vorderpfoten an den helleren Bauch gelegt, den Kopf mit der schnuppernden Nase hoch erhoben.
Eine Ratte – eine von den riesigen, grauen Ratten der alten Rasse, den Erzfeinden der Menschen seit Urzeiten. Sie schüttelte sich. Und dann, als sie den Kopf noch höher hob, blitzte etwas an ihrem Hals. Ein Metallhalsband – ja, das war ein Metallhalsband. Aber ein Halsband an einer Ratte? Warum? Wieso?
Ratten lebten meist in den Städten, tief unten, wo sie niemand sah. Und wer lebte noch in den Städten, wem war zuzutrauen, daß er die Ratten zähmte und trainierte? Die Antwort war nicht schwer. Aber warum? Wozu?
Die Ratte sprang auf einen Felsbrocken und leckte sich das Fell trocken, als habe sie ihre Pflicht erfüllt und könne jetzt an ihr eigenes Wohlergehen denken. Dann plötzlich hielt sie inne und duckte sich, reglos, die schwarzen Knopfaugen stromabwärts gerichtet. Gespannt beobachteten Fors und Lura, was nun geschah.
Zuerst hörten sie das Platschen. Es wäre klüger gewesen, jetzt zu verschwinden, aber Fors brachte es nicht fertig.
Eine unproportionierte Gestalt kam durch das flache Wasser gestakt, doch bald stellte Fors fest, daß das, was er für einen Buckel gehalten hatte, ein geflochtener Käfig war. Die Ratte unten zeigte wütend die Zähne, aber sie rührte sich nicht.
Das Tierwesen kam näher, streckte gemächlich den langen Arm aus und hob die Ratte am Halsband hoch, während sie wütend um sich biß. Mit geschicktem Schwung warf der Rattenmeister seinen Fang durch die Falltür in den Käfig und sperrte zu. Aus dem Radau hinter dem Korbgeflecht schloß Fors, daß sie noch Leidensgefährten haben mußte. Doch nun glitt Lura davon, und sie hatte recht. Es war höchste Zeit, daß sie sich davonmachten.
Unterwegs gingen ihm all die alten Erzählungen über die Tierwesen wieder durch den Kopf, während er mechanisch die Spur legte, die die Verfolger zwar aufhalten, aber nicht abschütteln sollte. Angeblich waren sie die Nachkommen von Stadtbewohnern, die die volle Wirkung der Todesstrahlen erduldet hatten, Kinder, so mutiert in Gestalt und Wesen, daß man sie nicht mehr als Menschen bezeichnen konnte. Das war die eine Version.
Die andere behauptete, die Tierwesen seien Abkömmlinge feindlicher Invasoren, von Soldaten männlichen und weiblichen Geschlechts, die gelandet waren, um die Erde zu unterwerfen, und dann, als ihr eigenes Volk von den Atombomben ausgerottet wurde, vergessen worden waren. Soldaten, verwirrt und unsicher, als keine Befehle mehr kamen, die hartnäckig an den Positionen festhielten, die sie zu verteidigen hatten – trotz der Strahlung. Doch welche Theorie nun auch zutraf – die Tierwesen, obwohl ekelerregend, waren auch nur Opfer der tragischen Fehler der Alten, deren Leben ebenso zerstört war wie die Ruinenstädte.
Fors kam jetzt an das vom Feuer verwüstete Gebiet, eine schwarze, trostlose Öde, die nirgends Schutz bot. Er mußte riskieren, von dem Tierwesen mit den Ratten entdeckt zu werden und sich wieder am Flußufer halten.
In der Luft lag dicker Brandgeruch, der ihn, genau wie die pudrige Asche, die seine Füße aufwirbelten, zum Husten reizte. Vielleicht war es besser, im Wasser weiterzugehen. Hier und da lag ein noch glühender Baumstamm.
Hustend, mit tränenden Augen, stolperte Fors über Felsen und mußte einmal sogar schwimmen. Und dann kam er an den Damm; er war repariert worden. Dahinter lag der See, umgeben von den schwarzen Narben des Feuers. Die Biber hatten Hungerjahre vor sich, denn es würde mindestens ein Jahr dauern, bis wieder Schößlinge hochkamen, und Generationen, bis die Bäume wieder groß waren.
Fors stieg ins Wasser. Selbst hier hing noch Rauchgeruch in der Luft. Auch Kadaver schwammen herum, ein Reh, eine wilde Kuh, und dicht am anderen Ufer ein Pferd mit dem
Weitere Kostenlose Bücher