TTB 111: Im Banne der Zeitmaschine
besonderen Methoden war ich selbstverständlich in der Lage, aus Knochenresten, Grabbeigaben, Werkzeugen, Fossilien und so weiter wesentlich mehr zu entnehmen, als es ein menschlicher Wissenschaftler vermocht hätte. Da meine Fähigkeit zu logischen Schlüssen zudem praktisch unbegrenzt ist, waren die Ergebnisse in allen Fällen richtig. Ich habe zum Beispiel die Geheimschriften auf der Osterinsel innerhalb von zweiundvierzig Minuten entziffert, nachdem ich alles verfügbare Material – einschließlich einer Inschrift in einem ceylonesischen Tempel – überprüft hatte. Die Geheimschrift in Mohenjo-Daro war etwas schwieriger, aber nach siebenundfünfzig Minuten war auch diese Aufgabe gelöst.«
»Ich gebe zu, daß du vielleicht tote Sprachen entziffern kannst, wenn dir alles Material zur Verfügung steht – aber das äußere Bild eines Menschen ist doch eine andere Sache!«
»Die Chromosomenverteilung ist bereits in den Nukleoproteinen erkennbar.«
Case nickte. »Richtig. Ich habe einmal gelesen, daß jede Zelle des Körpers den ganzen Bauplan enthält – der gleiche Plan, nach dem der Betreffende konstruiert worden ist. Die Maschine brauchte also nur eine einzige Zelle zu finden.«
»Oh, natürlich«, meinte Chester ironisch. »Wahrscheinlich ist es dumm, wenn ich frage, woher die Maschine wußte, wie er gekleidet war, welche Frisur er hatte und weshalb er sich kratzte.«
»Die Rekonstruierungen, die ich gezeigt habe, sind keineswegs bloße Vermutungen, Mister Chester, sondern im Gegenteil das Ergebnis intensiver Nachforschungen. Sämtliche Informationen, die zur Beantwortung dieser Frage dienen konnten, wurden miteinander verglichen, überprüft und schließlich zu einem logischen Ganzen kombiniert. Der Haarwuchs entspricht in allen Einzelheiten dem Muster, das die genetische Analyse vermuten läßt, während die Frisur eine Kopie der damals in der betreffenden Gegend üblichen darstellt. Die ...«
»In anderen Worten«, warf Case ein, »haben wir kein genaues Abbild von Gum dem Räudigen gesehen; das Ganze war eher eine künstlerische Freihandzeichnung aus dem Gedächtnis.«
»Mir ist noch immer nicht klar, woher die Einzelheiten kommen.«
»Sie unterschätzen einfach die Synthesierungsfähigkeiten einwandfrei funktionierender Gedächtnisspeicher«, sagte die Stimme. »Damit befinden Sie sich etwa in der gleichen Lage wie Doktor Watson, der nie über die dritte Bewußtseinsebene hinauskam und deshalb ständig über Sherlock Holmes staunte, der seinerseits zu logischen Schlüssen auf der vierten Ebene fähig war.«
»Ich gebe zu, daß man vielleicht erraten kann, daß der Mörder ein einbeiniger, bärtiger Seemann gewesen sein muß, der mit Vorliebe Betelnüsse kaut«, sagte Chester. »Aber wie kann man zwei Gramm Knochen untersuchen und daraus ein dreidimensionales Bild machen?«
»Sie sind einer verständlichen Täuschung zum Opfer gefallen, weil Sie sich nicht von Ihrem menschlichen Standpunkt lösen können, Mister Chester«, sagte die Stimme. »Ihre sogenannte ›Wirklichkeit‹ ist schließlich nur eine gedankliche Vorstellung auf der Basis äußerst beschränkter Sinneswahrnehmungen. Sie nehmen ein Bild auf, das aus Reflexionen sichtbarer Wellenlängen besteht – die ihrerseits nur einen Bruchteil des gesamten Spektrums ausmachen; dazu kommen noch die Eindrücke, die Ihnen durch die übrigen Sinne vermittelt werden, und andere Wahrnehmungen durch Ihre Psi-Fähigkeiten, deren Sie sich auf der dritten Bewußtseinsebene nicht aktiv bedienen können.
Alle diese Wahrnehmungen haben eines gemeinsam: Sie lassen sich durch Spiegeltricks, Bauchrednerkünste, verzerrte Perspektiven, Hypnose und so weiter beeinflussen. Das so entstandene Bild erscheint Ihnen dann als konkrete Realität, während ich völlig unbeeinflußt Informationen zusammenstelle und sie zu einem dreidimensionalen Bild vereinige. Finden Sie nicht auch, daß meine Methode zumindest den Vorzug hat, daß sie der Wirklichkeit näher ist?«
»Chester«, sagte Case entschlossen, »wir müssen unbedingt verhindern, daß der Computer demontiert und als Schrott verkauft wird. Damit läßt sich ein Vermögen machen – wenn wir es richtig anfangen.«
»Wahrscheinlich, aber ich fürchte, daß der Fall ziemlich hoffnungslos ist, Case. Wenn die Maschine selbst, die sich doch immerhin ein Jahrhundert lang gegen jeden Eingriff von außen verteidigt hat, mit dieser Krise nicht fertig wird, haben wir nicht die geringsten Aussichten!«
»Hör zu,
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