TTB 118: Die schlafende Welt
sondern er hatte sich ausschließlich um die Sandtauglichkeit der passierenden Fahrzeuge zu kümmern.
»Ihren Sand-Führerschein, bitte.«
Shey stieg aus und beobachtete den Marsianer, der seinen Wagen untersuchte, den Motor an- und abstellte, gegen die Reifen trat, hier und dort nachschaute und sich eingehende Notizen machte.
»Alles in Ordnung, Mister Howards. Gute Reise.«
Zwei Stunden später stand der Strahlwagen in der Senke eines seit Jahrmillionen ausgetrockneten Wasserlaufs, und Shey kauerte sich in einer kleinen Vertiefung zusammen.
Seine Hände waren klamm, und er keuchte trotz des Atemgerätes. Der kleine schwarze Kasten vor ihm summte leise und ließ eine lange, schlanke Antenne erzittern, die sich etwa bis zur Höhe des Wagendaches hochreckte. Grimmig betrachtete er das kleine Funkgerät, das sein Rufzeichen abstrahlte.
Nachdenklich blickte er dann zum marsianischen Nachthimmel empor. Irgendwo dort draußen in der Leere wartete die Flotte auf sein Signal.
Warum antworten sie nicht …
Plötzlich verstärkte sich das Summen. Shey setzte die Kopfhörer auf.
»… bestätigt. Schläfer bestätigt …«
Shey betätigte einen Hebel, unterbrach den Gegenruf. »Hier DS auf Mars. Meine Meldung ist …« Shey hielt inne. Er war sich der Hut von Ereignissen, die er in Gang setzte, plötzlich überwältigend bewußt. »Meine Meldung ist: ›Aktion anlaufen lassen‹!«
»Verstanden!« kam die leise Stimme. »Aktion anlaufen lassen.«
»Richtig.«
»Also dann …« Die Stimme zögerte. »Sie haben gute Arbeit geleistet; der General läßt Ihnen seinen Dank aussprechen.«
Shey grinste. »Das wird er bald persönlich besorgen können. Ich werde zu Ihnen stoßen. Wollen Sie ihm das bitte ausrichten?«
»In Ordnung«, sagte die Stimme. »Ende.«
Donald Shey versenkte das Funkgerät wieder in seinem Versteck und kehrte auf Umwegen in die Stadt zurück.
1
Der Himmel war dunkel über London, als Bradford Donovan seinen Lastwagen auf die Straße hinauslenkte und seine nächtliche Tour begann. Nachdenklich betrachtete er die dunklen Straßen und Gebäude. London, fünfundzwanzigstes Jahrhundert. Größer, höher, tiefer – ein wucherndes Gewächs von Menschenhand. Die typisch englische Atmosphäre war bereits seit Jahrhunderten verschwunden, war vom Wind der Zeit verweht. Das London des fünfundzwanzigsten Jahrhunderts hatte viel Ähnlichkeit mit dem New York vor fünfhundert Jahren – es war groß, ungeschlacht und unruhig.
Das war einer der Gründe, warum der Druck der Waffe unter seiner Jacke so beruhigend war. Gangs, deren Mitglieder zu jung waren, um zur Armee eingezogen zu werden, und zu streitsüchtig, um sich mit den üblichen Sportarten zufriedenzugeben, hatten eine neue Art von Spiel erfunden. Sie lauerten Lastwagen auf, zwangen die Fahrer zum Halten, steckten die Fahrzeuge in Brand und fielen über die Fahrer her.
Donovan knurrte. Die Rowdies würden ihr blaues Wunder erleben, wenn sie sich jemals an ihn heranwagen sollten! Und gerade heute hatte er das Gefühl, als würde es Schwierigkeiten geben.
Er schaltete das Radio ein. Eine weibliche Stimme verlas Nachrichten.
»… die Mad Hatter wird sich in der Woche vom neunundzwanzigsten wegen geringfügiger Reparaturarbeiten in London aufhalten. Verwandte und Freunde der Besatzungsmitglieder werden gebeten, sich zum Zwecke der Urlaubsregelung mit dem Stützpunkt-Hauptquartier in Verbindung zu setzen. So viel über das Kommen und Gehen unserer Jungen in Uniform. Nun zum Wetter. Ein ständiger warmer Luftstrom …«
Donovan schaltete um. Eine rauhe weibliche Stimme sang eine der neuen und sehr beliebten Kriegsballaden, Die Saga vom Scout:
»… Fast hatten die Larrys ihn schon.
›Gott!‹ sagte der Scout. ›Was seid ihr laut!‹
Und brauste mit Volldampf davon … «
Donovan wartete nicht auf den Ausgang des Abenteuers, sondern wechselte erneut den Sender. Wieder eine weibliche Stimme. Die meisten Männer trugen jetzt Uniform und kämpften gegen die Larrys – neunzig Parsek von der Erde entfernt.
»… Es wird damit gerechnet, daß die Einberufungen zur Armee in diesem Monat einen neuen Höchststand erreichen. DieRegierung hat weitere Notmaßnahmen angekündigt, um noch mehr körperlich geeignete Männer für den Kriegsdienst freizustellen. Wenn Sie ein selbständiger Geschäftsmann sind, denken Sie daran: Stellen Sie Körperbehinderte ein – und Sie machen damit einen Mann für die Front frei!«
Donovan fluchte leise und
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