Tür ins Dunkel
sie Melanie lebend in ihre Gewalt bekommen wollen.«
»Wozu?«
»Weil sie zuviel über die Experimente in jenem Haus weiß.«
»Dann müßte es ihnen doch am liebsten sein, wenn sie tot wäre.«
»Es sei denn, sie brauchen Melanie, um jene Experimente fortsetzen zu können.« Noch bevor er seinen Satz beendet hatte, wußte Laura, daß er recht hatte, und diese neue Furcht raubte ihr den Mut. Warum nur hatte Dylan mit emem diskreditierten Fanatiker wie Hoffritz zusammengearbeitet? Wer hatte sie finanziert? Keine legale Stiftung, keine Universität und kein Forschungsinstitut hätten Hoffritz unterstützt, nachdem er an der UCLA gefeuert worden war. Und eine seriöse Institution hätte auch Dylan nicht unterstützt, einen Mann, der sein eigenes Kind entführt und sich vor den Anwälten seiner Frau versteckt hatte, einen Mann, der seine eigene Tochter wie ein Meerschweinchen zu Experimenten mißbrauchte, die sie an den Rand des Autismus gebracht hatten. Wer auch immer Dylan unterstützt haben mochte, weil er sich für dessen Forschungsprojekt interessierte, mußte wahnsinnig sein, genauso verrückt wie Dylan und Hoffritz.
Laura wollte einen Schlußstrich unter die schreckliche Vergangenheit ziehen können. Sie wollte Melanie aus der Klinik holen und nach Hause bringen. Sie wollte mit ihr ein glückliches Leben führen, denn wenn jemand auf der Welt Frieden und Glück verdient hatte, so war das ihr kleines Mädchen. Aber >sie< wollten das offenbar nicht zulassen. >Sie< würden versuchen, Melanie wieder zu entführen. >Sie< brauchten das Kind für irgendwelche dunklen Zwecke, die nur >sie< allein kannten. Und wer waren >sie< überhaupt? Sie hatten keine Gesichter, keine Namen. Unbekannte Gegner. Wie sollte sie einen Feind bekämpfen, den sie nicht kannte?
»Sie sind gut informiert«, sagte sie. »Und sie vergeuden keine Zeit.«
Haldane blinzelte. »Wie meinen Sie das?«
»Melanie war erst seit wenigen Stunden im Krankenhaus, als dieser Rink hier aufkreuzte und ihr nach dem Leben trachtete. Er hatte nicht lange gebraucht, um herauszufinden, wo sie sich aufhielt.«
»Das stimmt.«
»Er muß Informanten gehabt haben.«
»Informanten? Sie glauben, bei der Polizei?«
»Möglicherweise. Und die anderen brauchten auch nicht lange, um herauszufinden, daß Rink hinter Melanie her war . sagte Laura. »Alle machen ihre Züge sehr schnell.« Sie stand vor der Kliniktür und betrachtete den Verkehr Auf der Straße, betrachtete die Läden und Büros auf der auf der anderen Seite der Avenue, in der vagen Hoffnung, irgendeine verdächtige Person zu erspähen, jemanden, den Haldane verfolgen und ergreifen könnte; aber sie sah nichts Auffälliges. Daß alles scheinbar seinen gewohnten Gang ging, alle Leute ihren normalen Beschäftigungen nachgingen, brachte sie in Zorn. Irgendwo lauerte vielleicht der unbekannte Feind, und sie konnte ihn nicht indentifizieren.
Unvernünftigerweise ärgerte sie sich im Augenblick sogar über die Sonne und über die warme Luft. Haldane hatte ihr soeben eröffnet, daß jemand dort draußen ihre Tochter tot sehen wollte, daß jemand anderer Melanie lebend in seine Gewalt bringen will, um sie wieder in eine Deprivationskammer zu sperren oder sie auf dem elektrischen Stuhl zu quälen, weiß der Himmel, zu welchen Zwecken. Zu diesen düsteren Aussichten paßte kein sonniger Tag. Der Sturm hätte nicht nachlassen dürfen. Der Himmel müßte wolkenverhangen sein, es müßte in Strömen regnen, ein heftiger kalter Wind müßte wehen. Es kam Laura einfach unpassend vor, daß andere Leute die Sonne genossen, sich pfeifend und lachend ihres Lebens freuten, während sie selbst immer tiefer in einem gräßlichen Alptraum versank. Sie sah Haldane an. Die leichte Brise bewegte seine sandfarbenen Haare, und die Sonne ließ seine angenehmen Gesichtszüge schärfer hervortreten und machte ihn attraktiver, als er in Wirklichkeit war. Aber auch ohne das schmeichelnde Spiel von Licht und Schatten war er ein gutaussehender, sympathischer Mann. Sie gestand sich ein, daß sie sich -hätte sie seine Bekanntschaft unter anderen Umständen gemacht - vielleicht sogar für ihn interessiert hätte, denn der Kontrast zwischen seinem kraftstrotzenden Äußeren und seinem freundlichen Wesen übte auf sie eine gewisse Anziehungskraft aus. Die unbekannten >Sie< waren auch dafür verantwortlich, daß zwischen Haldane und ihr keine persönliche Beziehung entstehen würde.
»Warum lag Ihnen soviel daran, mich telefonisch zu
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