Tür ins Dunkel
als sonst. Jedenfalls - er unterrichtete diese Mädchen, und er wickelte sie mit seinem Charme ein. Und Sie dürfen nicht vergessen, daß er viel publiziert hatte und auf seinem Gebiet ein anerkannter Fachmann war.«
»Und nachdem er einige dieser Experimente mit ihnen durchgeführt hatte, fanden sich die Mädchen in eine sexuelle Beziehung mit ihm verstrickt. Sie glauben also, daß er Hypnose, Drogen und unterbewußte Programmierung benutzte, um sie... um sie zu verwandeln.«
»Um ihre psychologischen Verhaltensmuster auf Pro miskuität und Masochismus zu programmieren. Ja. Das ist es, was ich glaube.«
Melanies schriller Schrei hallte durch das Haus.
Laura eilte hinter Earl her, den Flur entlang. Der Leibwächter stürzte mit gezückter Pistole vor ihr ins Gästezimmer und schaltete das Licht ein.
Melanie war allein. Nur sie konnte die Bedrohung sehen, die ihren Schrei verursacht hatte. In den weißen Söckchen und dem weißen Baumwollslip, die sie zum Schlafen anbehalten hatte, kauerte sie in einer Ecke, wehrte mit den Händen einen unsichtbaren Feind ab und schrie gellend. Das Kind sah so zart aus, so verletzlich ... Laura wurde von überwältigendem Zorn auf Dylan überwältigt, von einem wilden, verzehrenden Zorn, in dem sie ihren Mann aus tiefster Seele verfluchte.
Earl schob seinen Revolver in das Halfter. Er ging auf Melanie zu und wollte sie in den Arm nehmen, aber sie schlug nach seinen Händen und kroch rasch von ihm weg, an der Wand entlang.
»Melanie, Liebling, beruhige dich! Alles ist in Ordnung«, sagte Laura.
Die Kleine beachtete ihre Mutter nicht. Sie erreichte die nächste Ecke, setzte sich mit angezogenen Beinen auf den Boden, ballte ihre Hände zu Fäusten und hielt sie abwehrend hoch. Sie schrie nicht mehr, dafür stieß sie in regelmäßigen Abständen einen seltsamen Laut panischer Angst aus: »Uh... uh... uh... uh...«
Earl ging vor ihr in die Hocke. »Alles ist okay, Kleine.«
»Uh... uh... uh... uh...«
»Alles ist jetzt okay. Wirklich. Glaub es mir. Ich werde auf dich aufpassen.«
»Die T-T-Tür«, stammelte Melanie. »Die Tür! Nicht aufgehen lassen!«
»Sie ist geschlossen«, versicherte Laura, während sie sich neben ihrer Tochter hinkniete. »Die Tür ist geschlossen und abgesperrt, Liebling.«
»Haltet sie geschlossen!«
»Erinnerst du dich denn nicht mehr? An der Tür befindet sich ein großes, schweres neues Schloß«, sagte Laura. »Hast du das vergessen?«
Earl sah Laura völlig verwirrt an.
»Die Tür ist verschlossen«, fuhr Laura fort. »Fest verschlossen. Abgesperrt. Niemand kann sie öffnen, Liebling. Niemand.«
Dicke Tränen traten in Melanies Augen, rollten ihr über die eingefallenen Wangen.
»Ich werde auf dich aufpassen«, versicherte Earl wieder. »Baby, du bist hier in Sicherheit. Niemand wird dir etwas zuleide tun.« Melanie seufzte, und die Angst wich aus ihrem Gesicht. »Du bist in Sicherheit. Völlig in Sicherheit.«
Melanie führte eine Hand an ihren Kopf und begann geistesabwesend eine Haarsträhne zu drehen, so wie auch ganz normale Mädchen es tun, wenn ihre Gedanken mit Jungen, Pferden, Pyjama-Partys oder anderen interessanten Dingen beschäftigt sind. Nach dem bizarren Benehmen, das sie bisher an den Tag gelegt hatte, nach den Extremen von Hysterie und Katatonie, war es rührend und zugleich ermutigend, sie mit ihrem Haar spielen zu sehen, weil das etwas so Normales war - eine Kleinigkeit, gewiß, kein Durchbruch, kein Riß in ihrem autistischen Panzer, aber doch ein normales Verhalten. Laura packte die Gelegenheit beim Schöpf.
»Würde es dir gefallen, mit mir zum Friseur zu gehen, Baby? Hmmm? Du warst noch nie beim Friseur. Wir werden zusammen hingehen und dir eine ganz schöne Frisur machen lassen. Was haltest du davon?« Melanies Augen blieben glasig, aber sie runzelte die Stirn und schien über den Vorschlag nachzudenken.
»Weiß Gott, etwas muß mit deinem Haar passieren«, fuhr Laura fort, eifrig bemüht, diesen unerwarteten Kontakt mit ihrer Tochter aufrechtzuerhalten, zu vertiefen. »Wir werden es schneiden und schön frisieren lassen. Vielleicht lockig. Was würdest du von Locken halten, Liebling? Du würdest mit einem Lockenkopf ganz toll aussehen.«
Das Gesicht des Mädchens wurde weicher, und einen Moment lang spielte die Andeutung eines Lächelns um seinen Mund.
»Und nach dem Friseur könnten wir einkaufen gehen. Wie wäre das, Liebling? Viele neue Kleider. Und Pullis. Sogar eine glitzernde Michael
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