Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees
sich in Badehose beim Schwimmen ablichten, und ständig beschäftigten Gerüchte um seine Frauengeschichten die Öffentlichkeit. Er förderte gezielt junge Frauen im Kultur- und Wissenschaftsbereich.
Außenpolitisch setzte er auf Ausgleich und Versöhnung mit den Nachbarn. Er suchte sowohl ein gutes Verhältnis zur Sowjetunion wie zu den Westmächten, vor allem bemühte er sich um eine Versöhnung mit Griechenland, um die Wunden des Krieges zu schließen, wozu auch der große Bevölkerungsaustausch gehörte. Mehr als eine Million griechischstämmiger christlicher Anatolier mussten die Westtürkei verlassen und nach Griechenland übersiedeln, im Gegenzug vertrieb man Hunderttausende Muslime aus Nordgriechenland, Kreta und den Ägäisinseln aus ihrer Heimat, um sie in der neuen türkischen Republik anzusiedeln. Ausgehend von dieser Politik des Ausgleichs und der Nichteinmischung gelang es auch seinem Nachfolger Ismet Inönü, die Türkei aus dem Zweiten Weltkrieg herauszuhalten, nachdem Mustafa Kemal im November 1938 überraschend gestorben war. Der heutige Atatürk-Kult in der Türkei entstand erst nach seinem Tod, als seine Nachfolger offenbar das Gefühl hatten, ohne seine Heroisierung und Verklärung als Übervater der Nation seine Politik, den sogenannten Kemalismus, nicht fortsetzen zu können.
Heutzutage ist der Kemalismus zu einer Art Religionsersatz für das säkulare, laizistische Lager der Türkei geworden, in der Mustafa Kemal als Prophetenersatz dient, um so Mohammed und dem Islam Paroli bieten zu können.
Deutsche Migranten in der Türkei
Für die deutsch-türkischen Beziehungen hinterließ Mustafa Kemal ein besonderes Vermächtnis. Er holte bereits in den 1920 er Jahren deutsche und österreichische Wissenschaftler als Aufbauhelfer ins Land und bot dann später von den Nazis verfolgten Juden und Sozialdemokraten an, ihre Kenntnisse in den Auf- und Ausbau des türkischen Hochschulsystems zu stecken. Etliche Lehrstühle wurden damals mit deutschen Professoren besetzt oder für sie neu geschaffen. Bereits im Juli 1933 kamen die ersten 30 Verträge mit deutschen Wissenschaftlern zustande.
Schon zuvor hatten sich die Kemalisten insbesondere für den Aufbau ihrer neuen Hauptstadt in Ankara um österreichische und deutsche Stadtplaner und Architekten bemüht. Die drei für die Einführung einer modernen Architektur wichtigsten Importe waren die Österreicher Ernst Egli, Clemens Holzmeister und der Deutsche Hermann Jansen. Ernst Egli wurde 1927 Chefarchitekt des Unterrichtsministeriums und war in dieser Funktion hauptsächlich für den Bau von Schulen, Fachhochschulen und einzelnen Fakultäten der neuen Universität in Ankara zuständig. Da er gleichzeitig eine Professur an der Hochschule für Schöne Künste in Istanbul innehatte und dort den Grundstein für eine moderne Architektenausbildung legte, gilt er als entscheidend für die Abwicklung der traditionellen osmanischen Bauweise – orientalisch verschnörkelt – und der Entwicklung einer neuen Formsprache der jungen Republik. Clemens Holzmeister war dagegen der Architekt für die spektakulären Repräsentationsbauten des neuen Staates. Er entwarf das Parlament und etliche Ministerien. Mit Hermann Jansen hatten sich die Kemalisten einen Stadtplaner geholt, der in Berlin die Gartenstädte am Stadtrand mitentwickelt hatte. Entsprechend versuchte Jansen auch für Ankara ein Gartenstadtmuster durchzusetzen, was ihm jedoch nur in einem Stadtteil gelang.
Auf die Vorarbeit dieser Pioniere aus dem Westen konnten sich dann die Emigranten beziehen. Die prominentesten Deutschen, die nach ihrer Flucht vor den Nazis Aufnahme und Anstellung in der Türkei fanden, waren der spätere Regierende Bürgermeister von Berlin, Ernst Reuter, der Architekt der Zehlendorfer Modellsiedlung »Onkel Toms Hütte«, Bruno Taut, und der Komponist Paul Hindemith. Ernst Reuter lehrte in Ankara Verwaltungsrecht und Städtebau, Hindemith holte Leute wie Eduard Zuckmayer, der die erste Musikhochschule in der Türkei mit aufbaute, nach Ankara und Bruno Taut, der einen Lehrstuhl an der Universität Istanbul bekam. Er wurde gleichzeitig Nachfolger von Ernst Egli als Chef der Bauabteilung des Unterrichtsministeriums. In dieser Eigenschaft entwarf er die Pläne für eine neue Universität in Ankara und erhielt kurz vor seinem Tod im Dezember 1938 noch den Auftrag, ein Mausoleum für Atatürk zu konzipieren. Taut starb in Ankara und wurde dort auch begraben, für die meisten anderen
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