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Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees

Titel: Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Gottschlich
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Kampfkraft der osmanischen Truppen nicht mehr sehr groß war, sie band Hunderttausende russischer Truppen im Kaukasus und große britische Verbände in Palästina, am Suezkanal und an den Dardanellen, was den deutschen Truppen hilfreich war.
    Viel entscheidender für die deutsche Haltung als die Schreiben der Diplomaten dürfte daher gewesen sein, in welchem Ton die hohen Offiziere nach Hause an die Oberste Heeresleitung berichteten. Nur darüber wäre wirklich zu rekonstruieren, wie das deutsche Militär die Armenierdeportationen einschätzte und wieweit die damaligen deutschen Entscheidungsträger die Politik der Jungtürken auch politisch unterstützten. Doch diese Akten sind – leider, leider wie die deutschen Militärhistoriker heute sagen – bei den alliierten Bombardements im Zweiten Weltkrieg vernichtet worden.
    Doch aus dem Wenigen, was übrig blieb, ergibt sich durchaus noch ein ziemlich klares Bild. Bezeichnenderweise stammt die einzige militärhistorische Studie dazu nicht von deutschen Forschern, sondern von dem Schweizer Historiker Christoph Dinkel. Daraus geht klar hervor, dass Bronsart von Schellendorf die Deportationen befürwortete und sogar selbst Deportationsbefehle unterschrieb. Insgesamt sind die obersten deutschen Offiziere mit der türkischen Einschätzung, dass die armenische Bevölkerung ein enormer Risikofaktor war, konform gegangen. So schrieb der deutsche Generalstabschef der unglücklichen 3 . Armee an der Kaukasusfront, Felix Guse, »das ganze armenische Volk habe sich schuldig gemacht«, eben weil es dem eigenen Land in den Rücken gefallen sei. Auch Liman von Sanders, der nie selbst an der Ostfront war, urteilte, es sei »ohne jeden Zweifel erwiesen, dass die Armenier auf Seiten der Russen gegen die Türken angetreten sind«. Liman von Sanders, der während der Kämpfe an der Ostfront selbst gemeinsam mit Mustafa Kemal die Verteidigungsschlacht gegen die alliierte Invasion an den Dardanellen leitete und später gegen die Deportation der Armenier aus Izmir protestierte, war zweifellos der Meinung, dass die Deportation der Armenier aus Anatolien militärisch geboten war. Nach Kriegsende wurden ihm sogar von den Briten Kriegsverbrechen gegen die Armenier vorgeworfen, weshalb er eine Zeitlang gemeinsam mit etlichen Jungtürken auf Malta interniert war. Doch letztlich wurden alle entlassen, ohne dass es zu einem Prozess kam. Aus türkischer Sicht, weil die Briten eben nichts in der Hand hatten, nach britischen Quellen, weil sie die Gefangenen gegen eigene Gefangene, die sich noch in türkischem Gewahrsam befanden, austauschen wollten.
    Die Haltung Deutschlands zeigte sich zunächst nach Ende des Krieges daran, dass die meisten politischen Führer der »Freiheit und Einheit« nach der Besetzung Istanbuls durch die Briten nach Berlin flüchteten und dort auch in allen Ehren aufgenommen wurden. Unter den in Berlin gelandeten Jungtürken war auch Talaat Pascha, der Hauptverantwortliche für die Deportationen und Massaker an der armenischen Bevölkerung. Er wurde am 15 . März 1921 von dem Armenier Tehlerjan in Berlin erschossen, welcher bei dem anschließenden aufsehenerregenden Prozess freigesprochen wurde, weil das Gericht ihm abnahm, dass er allein und aus persönlicher Betroffenheit gehandelt hatte. Tatsächlich gehörte Tehlerjan zu einem armenischen Kommando, das gezielt jahrelang die wichtigsten jungtürkischen Politiker als »Völkermörder« verfolgte und schließlich einen nach dem anderen erschoss. Nach Talaat wurden noch weitere führende Mitglieder der ehemaligen türkischen Regierung in Berlin erschossen. Auch Cemal Pascha, obwohl eher ein Gegner der Deportationen, wurde als Mitglied des jungtürkischen Triumvirats in Tiflis von einem armenischen Attentäter erschossen. Lediglich Enver Pascha, der letzte Kriegsherr des Osmanischen Reiches, fiel im Kampf mit bolschewistischen Truppen im zentralasiatischen Buchara.
    Die Republik
    Die türkische Republik entstand im Kampf gegen die alliierten Besatzungstruppen, die russisch-armenische Okkupation eines Teils Ostanatoliens und den Krieg gegen die griechische Invasion Westanatoliens. Während der Sultan als Gefangener der Alliierten zunächst einen Friedensvertrag aus dem Pariser Vorort Sèvres akzeptierte, der eine nahezu komplette Aufteilung des Reiches unter den Siegermächten vorsah und den Türken lediglich noch einen kleinen Rumpfstaat in Zentralanatolien zubilligte, begann in eben diesem Zentralanatolien bereits am Sultan

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