Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees
deutschen Emigranten blieb die Türkei dagegen eine Zwischenstation. Sie kehrten nach dem Krieg mehrheitlich zurück oder gingen von der Türkei aus in die USA .
Neben den prominenten Wissenschaftlern, die auf Einladung der türkischen Regierung ins Land kamen und dann auch gut dotierte Verträge an Universitäten oder anderen staatlichen Einrichtungen bekamen, wurde die Türkei aber auch Fluchtpunkt für Tausende weniger prominente politisch oder rassisch Verfolgte, die sich auf eigene Faust durchschlugen. In Istanbul und Ankara trafen sie auf die offizielle deutsche Community, was teilweise zu erheblichen Konflikten führte. »Kolonie B« nannten sich die Flüchtlinge in Abgrenzung zur nazi-deutschen »Kolonie A«, die sich nach 1939 stark engagierte, um die Türkei an der Seite Deutschlands in den Krieg zu ziehen. Hitlers Strategen wäre viel daran gelegen gewesen, die Ölfelder am Kaspischen Meer von der Türkei aus erobern zu können, statt erst die gesamteeuropäische Sowjetunion durchqueren zu müssen.
Das größte Verdienst von Ismet Inönü, dem Nachfolger Atatürks als Präsident, war es deshalb auch, die Türkei mit viel Geschick und außenpolitischem Lavieren – so stimmte er einem Freundschafts- und Nichtangriffspakt mit Deutschland zu – aus dem Krieg herauszuhalten. Erst kurz vor Schluss, Ende 1944 , trat die Türkei dann noch, eher symbolisch, auf Seiten der Alliierten in den Krieg ein. Damit wurden die Deutschen in der Türkei dann automatisch zu Angehörigen des Kriegsgegners, und einige wurden deshalb noch für wenige Monate in ein Internierungslager eingewiesen.
Nach Kriegsschluss versuchte Stalin durchzusetzen, dass die Sowjetunion die Kontrolle über die Dardanellen und den Bosporus als Schifffahrtsweg zugesprochen bekommen sollte. Stalin wollte endlich den russischen Traum der vergangenen Jahrhunderte durchsetzen und sich einen freien Seeweg ins »warme Meer« verschaffen. Mit diesem Ansinnen drängte er die Türkei, die sich zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg immer neutral verhalten hatte und ein gutes Verhältnis zur Sowjetunion pflegte, in die Arme der USA . Aus Angst vor der Sowjetunion gab die Türkei ihre Neutralität zwischen den Blöcken auf und wurde bereits 1952 Mitglied der Nato.
Die moderne Türkei und der Westen
Damit begann die letzte, bis heute andauernde Phase des Annäherungsprozesses der Türkei an den Westen. Gemeinsam mit Griechenland war die Türkei bereits im August 1949 dem drei Monate zuvor in London gegründeten Europarat beigetreten. Dieser Zusammenschluss war gedacht als Einstieg in eine politische Union Europas, und so war es auch nur folgerichtig, dass die Türkei bereits 1963 ein Assoziierungsabkommen mit der damaligen EWG, dem Vorläufer der heutigen EU, abschloss. Dieses Assoziierungsabkommen wurde ebenfalls zeitgleich mit Griechenland unterschrieben, und es war klar, dass die Planer der Europäischen Union beabsichtigten, sowohl die Türkei wie auch Griechenland ungefähr gleichzeitig in den politischen und wirtschaftlichen Verbund Westeuropas zu integrieren, und zwar hauptsächlich aus politischen Gründen. Man wollte verhindern, dass einer der beiden Staaten in den Einflussbereich der Sowjetunion geraten könnte und damit die sogenannte Südostflanke Europas gefährdet würde. Mit anderen Worten, beide Länder sollten im Kalten Krieg nicht nur militärisch über die Nato, sondern auch wirtschaftlich mit dem Westen verbunden werden. In beiden Ländern drohte die Integration durch innenpolitische Wirren zu scheitern. In Griechenland putschte im April 1967 die Armee und errichtete die Diktatur der Obristen. Das Land befand sich im permanenten Ausnahmezustand, eine Umsetzung des Assoziierungsabkommens fiel praktisch aus. Die Junta in Griechenland stürzte, als sie einen Putsch auf Zypern initiierte, um die Insel zu annektieren. Um das zu verhindern, war die türkische Armee 1974 auf Zypern zum Schutz der türkischen Minderheit gelandet.
Während Griechenland sich nach der Rückkehr zu zivilen Strukturen langsam stabilisierte, rutschte die Türkei in den 1970 er Jahren in immer schlimmere Turbulenzen. 1971 putschte das Militär zehn Jahre nach einem ersten Putsch zum zweiten Mal gegen eine zivile Regierung. Auch wenn das Militär sich bald darauf wieder in die Kasernen zurückzog, war eine demokratische Entwicklung doch schwer gestört. Das Land taumelte von einer Regierungskrise in die nächste, und während die Rechte weiterhin auf die USA und eine
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